Rosemarie Trockel
Neue Arbeiten
Rosemarie Trockel ist eine Entdeckerin. Aus einer Fülle des Alltäglichen erkennt sie zielsicher Motive, Zeichen, Gesten und Worte und baut damit Neuland für die Betrachtenden. Ihre Arbeiten, die sich medial vielfältig in Objekten, Skulpturen, Zeichnungen, Fotografien oder Filmen zeigen, bieten die Komplexität eines inhaltlichen Feldes, das vom Individuum bis zu gesamtgesellschaftlichen Fragen und Problemstellungen reicht.
Die Irritation, die die Betrachtenden durch die Arbeiten von Rosemarie Trockel mitunter erfahren, vollzieht sich auf mehreren Ebenen. Material wird z. B. entfremdet, indem es der ursprünglichen Funktion enthoben und in neuen Zusammenhängen präsentiert wird. Gerade durch die originale Banalität des Objektes oder Werkstoffes besteht ein grundsätzlicher Zugang, der tradierte Sichtweisen gleichzeitig provoziert und konterkariert. Das wird an den oft erwähnten Beispielen von maschinell gefertigter und in abstrakte Muster oder neuartige Gebilde formatierte Strickware ebenso klar, wie an den Herdplatten-Objekten oder dem Werkkomplex der Tierbehausungen. Besonders die „Häuser für Tiere“ verdeutlichen die Gegensätzlichkeit in der Auseinandersetzung mit dem Werk von Rosemarie Trockel. Der Absicht tatsächlichen und kalkulierten Raum (in welcher Form auch immer) zur Verfügung zu stellen, steht die Unberechenbarkeit seiner zukünftigen oder tatsächlichen Bewohner (z. B. Hühner, Läuse, Silberfischchen) gegenüber. Deutlich wird aus der Enge der Häuslichkeit, die auch anderen von Trockel oft verwendeten Materialien und Objekten zugeschrieben wird, etwas Weitläufigeres, für die Rezipienten nicht immer Fassbares. Vermutlich ist gerade diese neue Dimension auch deshalb kaum festzumachen, weil sie an der eigenen Beschränktheit und Domestizierung rüttelt.
Für die Ausstellung in Wien werden Keramiken und andere Objekte zueinander in Beziehung gestellt. Die Erzählstränge, die einzelne Motive bieten, werden durch die Abstrahierung der Objekte immer wieder durchbrochen. Wandbilder in Keramikweiß, glatt und kühl wie liniertes Papier, werden durch eine undefinierte blutrote Masse, die aus ihren Linien tropft, zu etwas Organischem. Die Kraft des Körperlichen zieht an, lässt aber auch ein Stück erschaudern. Dunkelrote Teile, die überdimensionalen Token einer vergangenen archaischen Kultur gleichen, korrespondieren mit metallisch glänzenden Objekten. Das Alltagsgedächtnis zieht Assoziationen zu Küchengeräten und anderem Hausrat. Filigrane, blütenweiße Keramikobjekte, die ihren Fortsatz in einfachen Metallstangen finden, erinnern an antike Marmor- oder Alabasterskulpturen, deren fehlende Gliedmaßen durch Prothesen ersetzt wurden. Der Kippschalter zwischen Abstraktion und Gegenständlichem scheint ständig ein- und ausgeschalten zu werden. Das Neuland, das mit und durch die Arbeiten von Rosemarie Trockel betreten wird, lohnt jede Erforschung und lässt die eigene Welt ein Stück größer werden.
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