Nadim Vardag
Alte Muster
Alte Muster von Nadim Vardag in der Georg Kargl Box ist eine Ausstellung par excellence. Oder, ganz banal, eine Ausstellung ‚neuer Arbeiten’, in dem Fall Bilder, die gerahmt an der Wand präsentiert werden. Aus technischer Sicht betrachtet, wären diese Arbeiten als Druckgrafik einzuordnen, schlagen im Werk des Künstlers aber tatsächlich auch thematisch eine neue Seite auf. Die vergleichsweise kleinformatigen und in kleiner Auflage ausgeführten Grafiken konzentrieren sich ikonographisch auf die Motive ‚Knoten’ oder ‚Gewebe’, die eher variierend und fallweise seriell umgesetzt werden. Unter dem Titel Alte Muster ist erstmals eine kleine Auswahl, sprich: drei Kaltnadelradierungen zu sehen. Die konzentrierte Präsentation reagiert auch auf die sehr besonderen Bedingungen, die die künstlerarchitektonische Gestaltung der Georg Kargl Box durch Richard Artschwager (1923-2013) vorgibt. Ihrerseits architektonischer Raum, inszeniertes Display und künstlerisches Werk, steht die Georg Kargl Box mittlerweile monumental für eine – in Wien seit den 1980er Jahren besonders ausgeprägte – Tradition der künstlerischen Auseinandersetzung mit Ausstellbarkeit, Kontext und Display.
Die Geschichte der künstlerischen Beanspruchung des Formats ‚Ausstellung’ reicht so weit wie die Geschichte der modernen Kunst selbst. Kein Wunder, ist die Ausstellung doch untrennbar mit der Kunst verbunden, welche durch diesen „Apparat” (Jean-Louis Déotte) überhaupt erst hervorgebracht wird. Es wäre keine Übertreibung ‚Ausstellung’ als das aktuell dominante kunstspezifische ‚Medium’ zu bezeichnen – auch auf die Gefahr hin, dass der diskursiv lange überstrapazierte Begriff ‚Medium’ und seine modernistische Vergangenheit nicht mehr so recht dazu passen mag, wie aktuell über Kunst gesprochen – wenngleich nicht unbedingt, wie sie gemacht wird. Ließen sich noch in den 1990er Jahren mit der Problematisierung des Konzepts ‚Medium’ ganze Werke und Karrieren in Praxis und Theorie gleichermaßen etablieren: sozusagen im Windschatten der Broodthaers’/Krauss’schen Nordseekreuzfahrt, sind diese Zeiten unwiderruflich vorbei. Was einst nach Medien aber auch nach Gattungen oder Genres sortiert war, ist, zur Praxis oder zum Verfahren transformiert, derart in der ‚entgrenzten‘ post-medium conditionangekommen, dass die Rede von kunstspezifischen Medien keinen rechten Sinn mehr macht.
Vielleicht wurde mit der verbindlich gewordenen post-medium condition aber einfach nur das falsche Problem erledigt. Interessant ist ja nicht, wie viel Kunst, frei nach Greenberg, immer schon in einem spezifischen Medium ‚drin‘ ist und künstlerisch freigesetzt werden muss, sondern wie sich Medien überhaupt in so einer spezifischen Weise einsetzen lassen, dass dabei etwas Künstlerisches herumkommt.
Warum nun die aktuelle Popularität der Ausstellung als künstlerisches Medium? Als zugleich syntaktisches Format und Apparat, der seit jeher die Kunst hervorbringt, ist die Ausstellung der geeignete Rahmen für künstlerische Verfahren, die dem traditionellen Medienbegriff, an sich zu Recht, zu misstrauen gelernt haben. Aufgerüstet durch Verfahren der site specificity und institutional critique zeugt die künstlerische Beanspruchung der Ausstellung vom Versuch, besagten Apparat unter Kontrolle zu bringen. Das unterschlägt jedoch vollends – und in bester modernistischer Tradition – die gesellschaftlichen Aspekte bzw. die für die Selbstbestimmtheit der Kunst konstitutiven institutionellen und kommerziellen Bedingungen. Diese bringen als Spannungsfeld den Apparat Ausstellung überhaupt erst in Gang.
Mit Blick darauf ist Alte Muster trotz des augenscheinlich traditionalistischen Auftretens der Präsentation das ziemlich genaue Gegenteil zu der regressiven Dynamik, die derzeit jenseits des Kunstfelds etwa gesellschaftliche und politische Debatten beherrscht, zunehmend aber auf den Möglichkeitsraum der Kunst zurückwirkt. Statt von der Kunst und ihrer Pflicht gewordenen Selbstbestimmung sozusagen ‚gedeckt’ mit trotzigem Progressivismus zu reagieren, verweist die Ausstellung schlicht zurück an ihre Ausgangsbedingungen: Es geht um drei, spezifisch in ihrer jeweiligen Art in Motiv, Technik und Ausführung entschiedene Bilder, die sich mit dem Anspruch Kunstwerke zu sein der Diskussion stellen – und davon unabhängig sind, was sie sind. Ohne dieser Diskussion vorzugreifen, die an den Bildern selbst, ihrer Ausstellung auszutragen ist, oder diese gar erklären zu wollen, reicht vielleicht der Hinweis aus, wie schwierig mancher Knoten geknüpft ist. So naheliegend es wäre, es sich leicht zu machen, ist es selten sinnvoll, Knoten entweder einfach zu zerhauen oder sie noch fester zu ziehen.
Text: Hans-Jürgen Hafner
Biografie
geboren 1980 in Regensburg, lebt und arbeitet in Wien
Ausgewählte Einzelausstellungen
2024
FACCIATA / FACADE / FASSADE, Spazio ORR, Brescia, Italien
2023
Condition, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2021
Promo, STATIONS, Berlin
Speicher, New Toni, Berlin
2019
Neue Ordung, FOX, Wien
2018
Alte Muster, Georg Kargl BOX, Wien
2016
Kontakt, Strabag Kunstforum, Wien
Wiels Project Room, Brüssel
2012
Georg Kargl Fine Arts, Wien
A Hanging at Times, Times Bar, Berlin
Repeat and Fade, Kunstmuseum St. Gallen, St. Gallen
2011
∆, Kunstverein Medienturm, Graz
Studio, Berlin
2010
Augarten Contemporary, Wien
2009
Permanent, Georg Kargl Permanent, Wien
Mayerei, Karlsruhe
2006
Georg Kargl Box, Wien
2005
Look, Kunstverein Kohlenhof e.V., Nürnberg
The Night, ehem. Nomadenoase, Hamburg
2004
fluc, Wien
Ausgewählte Gruppenausstellungen
2024
Gekauft! Und dann? Neues aus der Kunstsammlung der Stadt Wien, 2018-2023, musa, Wien
2022
Wenn der Wind weht, Kunst Haus Wien, Wien
2020
Would You Be Available…, Georg Kargl Permanent, Wien
On Heavy Rotation, Callirrhoë, Athen
Attempt at Rapprochment, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2019
Falling Awake, Vienna Contemporary, Wien (Kuratiert von Attilia Fattori Franchini)
Moves, Italic, Berlin
2018
Reduction, Gesellschaft für projektive Ästhtetik, Georg Kargl, Wien
Black and White Landscape, A collection, Gesellschaft für Kunst und Gestaltung, Bonn
2017
CONCENTRATION - a tribute, Gesellschaft für projektive Ästhetik, Georg Kargl, Wien
Die Kutsche im Schlamm, Memphis, Linz
Spiegelnde Fenster, 21er Haus, Wien
White Cube – Black Box, Bank Austria Kunstforum / Tresor, Wien
2016
Los Angeles, MAK Center at the Schindler House, Los Angeles
Away, ehem. Post u. Telegraphenamt, Wien
De Oculis, Josephinum, Wien
Mind Fabric, Institut de Carton, Brüssel
2015
Now, At the Latest, Kunsthalle Krems
Parametics, Tamanoir, Brüssel
Destination Wien, Kunsthalle, Wien
Tetrachord, Josh Lilley Gallery, London
Suspended by Ourselves, LH40, Berlin
Transparency, Georg Kargl Fine Arts & Box, Wien
Modell Kunstverein, Neuer Aachener Kunstverein, Aachen
2014
How to disappear completely, Kunstpavillon, Innsbruck
Suspended By Ourselves, ASPN Galerie, Leipzig
2D23D, Galerie Ostlicht, Wien
Artists’ Film Club, ICA, London
Texte in der Kunst, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2013
Wiederholen und Ausblenden, mumok, Wien
Works On Paper, Galerie Tobias Naehring, Berlin
Groupshow, Forum Stadtpark, Graz
in progress – Werke aus der mumok Sammlung, mumok, Wien
Backwards into Paradise, Flood, Dublin
Fotos, 21er Haus, Wien
2012
Reflecting Fashion, mumok, Wien
Drawing Quote, Pigna Project Space, Rom
Sleepwalking, Freies Museum, Berlin
Die (II), Coco, Wien
2011
Ein psycho-geographischer Plan, Galerie Max Mayer, Düsseldorf
Single Museum, Kunstraum Düsseldorf
Dancing to the Rhyme, Kumho Museum, Seoul
2010
Pattern Recognition, PS Project Space, Amsterdam
Triennale Linz 1.0, OK Offenes Kulturhaus Oberösterreich, Linz
Fine Line, Georg Kargl Fine Arts, Wien
Lebt und arbeitet in Wien III, Kunsthalle Wien, Wien
2009
BC21 Art Award, Augarten Contemporary, Wien
Endlosschleifen, Lothringer 13 Laden, München
Le Sang d’un poète, Biennal St. Nazaire-Nantes, Nantes
ConceptIOUS, Galerie Jette Rudolph, Berlin
Nothingness and Being, Fundación/Colección Jumex, Mexico City
Trick of the Light, MOP, Sydney
Filmsalon, Kunstverein Nürnberg
2008
Three Black Minutes, Künstlerhaus Stuttgart, Stuttgart
difference, what difference?, Art Forum, Berlin
Scene Missing, Galerie Thomas Schulte, Berlin
Scene Missing, Georg Kargl Fine Arts, Vienna
2007
Kino wie noch nie, Akademie der Künste, Berlin
Fade to Grey, Bell Street Project Space, Wien
This is Happening, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2006
Crosskick, Kunstverein Braunschweig, Braunschweig
Kino wie noch nie, Generali Foundation, Wien
Anfrage
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