Bernhard Leitner
The Saving of the Wittgenstein House, Vienna (1969–1971)
„Aber wer ist schon Wittgenstein?“
(Die Presse, Wien, 18. 6. 1971)
Zum vierzigsten mal jährt sich dieses Jahr die Rettungsaktion des Wittgenstein Hauses. Was viele nicht wissen: Dieses einmalige Zeugnis der architektonischen und gestalterischen Begabung des Philosophen Ludwig Wittgenstein wäre Ende der 1960er Jahre beinahe wegen Grundstücksspekulationen der behördlichen Ignoranz zum Opfer gefallen und abgerissen worden. Das von Ludwig Wittgenstein erbaute Haus in der Kundmanngasse 19 in Wien ist das einzige architektonische Werk des berühmten Philosophen. In einer abenteuerlichen Rettungsaktion hat der österreichische Künstler und Architekt Bernhard Leitner in den Jahren zwischen 1969-1971 die Rettung dieses Hauses von New York aus initiiert und erreicht. Mit einer Ausstellung über diese Rettungsaktion möchte die Galerie Georg Kargl an die Vorgänge von damals erinnern und die Aufmerksamkeit auf dieses besondere Haus lenken.
Zwischen 1926 und 1928 entwarf der Philosoph Ludwig Wittgenstein, zunächst gemeinsam mit dem Adolf-Loos-Schüler Paul Engelmann, das Haus für seine Schwester Margarethe Stonborough. Das Haus ist keine Materialisierung von Wittgensteins Philosophie. Der Bau muss vielmehr als Materialisierung von Wittgensteins Gedankenwelten, von seinen Ansichten über Ästhetik im Allgemeinen und Architektur im Speziellen gesehen werden. Dies verleiht dem Bau seine Einmaligkeit. Obwohl es fast zeitgleich mit den wichtigsten Beispielen der klassischen Moderne entstanden ist, ist das Wittgenstein Haus kein Haus dieser Moderne. Letztlich scheint die intensive Beschäftigung mit Bauen und mit Fragen der Ästhetik zu neuen philosophischen Fragen bei Wittgenstein geführt zu haben. Bernhard Leitner beschreibt es so: “Einer der verblüffendsten Aspekte von Wittgensteins baukünstlerischer Arbeit ist die Ästhetik der Schwerelosigkeit. Er wählt das Material Metall, um Schärfe, Genauigkeit und Präzision zu erreichen, versteht es aber, durch seine genaue Kenntnis der Mechanik, der Gesetze von Energie, von Kraftübertragung und Reibung das Gewicht von Metall aufzulösen. Die schwerelose Bewegung von schweren Metall-Türen und Metall-Kurtinen lässt sich nicht abbilden; Sie offenbart sich nur im Gebrauch, in der Bewegung.”
Bernhard Leitner, damals in New York lebend, stieß in Amerika auf großes Interesse an dem Haus und begann sein Geschick von dort aus zu lenken. Für die Recherche zu einem Artikel im Artforum New York wurde ihm im Sommer 1969 der Zugang zu dem Haus gewährt, dessen höchst spezifisches Inneres der Öffentlichkeit bis dato unbekannt war. In einem zwiespältigen Briefwechsel mit dem damaligen Eigentümer Thomas Stonborough, dem Neffen von Ludwig Wittgenstein, erfuhr Bernhard Leitner von der bedrohlichen Situation für das Haus. Durch diverse Artikel in New York, Hamburg und London, durch Briefwechsel mit Philosophen und Universitäten in den USA, Gesprächen mit dem Generalkonsul in New York, mit Politikern und Journalisten in Wien, bemühte sich Bernhard Leitner nicht nur auf die Einmaligkeit und den künstlerischen Wert von Wittgensteins Bau hinzuweisen, sondern vor allem den von der Stadt Wien durch Umwidmung geplanten und vom Denkmalamt zugelassenen Abriss öffentlich zu machen und zu verhindern. Auch wenn er international so berühmte Künstler wie Max Bill für seine Sache gewinnen konnte, blieb bis ganz zum Schluss unklar, ob die Rettungsaktion glücken sollte. Am 18. Juni 1971 war im Gemeinderat dem Antrag auf Umwidmung bereits stattgegeben worden und somit stand dem Abbruch des Wittgenstein Hauses und dem Bau eines sechzehnstöckigen Hotels an demselben Ort nichts mehr im Wege. Durch einen Notruf in der „Presse“ und eine in letzter Sekunde durch Bernhard Leitner umfunktionierte Pressekonferenz des Denkmalamtes am 21. Juni 1971 konnten diese Planungen aufgehalten werden. Bernhard Leitners Einsatz haben wir es zu verdanken, dass ein Bauwerk von so hoher künstlerischer, kultureller und geschichtlicher Wichtigkeit für die Nachwelt bewahrt wurde. Mit Fotografien, Briefen und Dokumenten und einem 13 kurze Kapitel umfassenden Text, der sich wie ein Kriminalroman liest, hat Bernhard Leitner die Stationen seiner Rettungsaktion festgehalten.
Text: Marie Duhnkrack
Biografie
geboren 1938 in Feldkirch, lebt und arbeitet in Ravelsbach-Gaindorf in der Nähe von Wien
Ausgewählte Einzelausstellungen
2020
Bernhard Leitner. Ton – Raum – Skulptur, Klangraum Krems Minoritenkirche, Krems
2019
Sound / Body / Space. Notations., Georg Kargl Fine Arts, Wien
2018
Ton-Würfel 18, Musikpavillon Hofgarten, Innsbruck
2017
Klangachsen, Kollegienkirche, Salzburg
2016
Georg Kargl BOX, Wien
TON – RAUM – SKULPTUR, Zeit Kunst Niederösterreich, St. Pölten
2015
Klangachsen, Kollegienkirche Salzburg, Salzburg
2014
30 Jahre Ton-Raum TU Berlin, TU Berlin, Berlin
Bernhard Leitner. TonRaumSkulptur, Objekte, Notation, Graphik, Kunsthandel Wolfgang Werner, Berlin
Ton-Architektur, Architekturzentrum Wien
Bernhard Leitner Spacesoundbodyspace, Buda Tower, Festival van Vlaanderen Kortijk
2011
The Saving of the Wittgensteinhouse Vienna (1969-71), Georg Kargl BOX, Wien
Earspacebodysound, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2008
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck
Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart, Berlin
2007
Moving Heads, Neue Galerie Graz, Graz
2005
Singuhr-Hörgalerie, Berlin
2006
SynErgon, LINZ AG Center, Linz (P.I.)
2004
Galerie Gelbe MUSIK, Berlin
2003
Spiegelgalerie, Ferdinandeum, Innsbruck
Klangstein, Kulturbezirk St. Pölten, St. Pölten (P.I.)
2002
Künstlerhaus Wien, Wien
ZKM Karlsruhe/Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe
2001
Kunsthalle Bremen, Bremen
2000
Strömungen, Otto-Wagner-Spital Wien, Pavillon Felix, Wien (P.I.)
1999
Klangkunstforum Berlin, Potsdamerplatz, Berlin
Akademie der Bildenden Künste Berlin, Berlin
Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof, Berlin
1997
Wasserspiegel, Donaueschinger Musiktage, Donaueschingen (P.I.)
Raumquellen, Atrium, Friedrichstrasse Berlin (P.I.)
1996
Tonhöhe, Kollegienkirche, Salzburg
1993
Galerie Weißer Raum, Hamburg
1992
Ton-Feld, Lasallestraße Wien, Wien (P.I.)
1991
Ton-Raum Buchberg, Buchberg (P.I.)
1990
Ruine der Künste, Berlin
Galerie Aedes, Berlin
1990
Ton-Tor, Technische Universität Wien, Wien
1987
Frankfurter Kunstverein, Frankfurt
Le Cylindre Sonore, Parc de la Villette, Paris (P.I.)
1984
Ton-Raum TU Berlin, Technische Universität Berlin, Berlin (P.I.)
1982
Kunstraum München, München
1981
Museum moderner Kunst Wien, Wien
1980
Pro Musica Nova, Kunsthalle Bremen, Bremen
1979
Museum Haus Lange, Krefeld
1978
Galerie Zwirner, Köln
Ausgewählte Gruppenausstellungen
2020
Das kleine Spiel zwischen dem Ich und dem Mir. Kunst und Choreografie, Kolumba Kunstmuseum des Erzbischofs Köln, Köln
2018
CONCENTRATION - a tribute, Gesellschaft für projektive Ästhetik, Georg Kargl, Wien
Reduction, Gesellschaft für projektive Ästhetik, Georg Kargl, Wien
2017
moving is in every direction. Environments – Installationen - Narrative Räume, Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart, Berlin
Erwarten Sie Wunder, Ulmer Mueum, Ulm
Où sont les sons? Where are sounds?, CENTRALE for contemporary art, Brüssel
2014
KOLUMBA Museum, Köln
Art or Sound, Fondazione Prada, Venedig
2013
Pèlerinage. Kunstfest Weimar
System and Sensuality. The Ernst Schering Foundation Collection -Contemporary Art from Tom Chamberlain to Jorinde Voigt, Schering Stiftung, Berlin
Four Houses, Some Buildings and Other Spaces, New York Universities at 80 WSE gallery, NY
2012
70.40.30, Kunstraum Buchberg, Gars am Kamp
SuperBodies, 3rd Triennale for contemporary art, fashion and design, Hasselt
Sound Art. Klang als Medium der Kunst, ZKM Karlsruhe, Zentrum für Kunst und Medien
A House full of Music. Strategien in Musik und Kunst, Mathildenhöhe, Darmstadt
KOLUMBA Museum, Köln
2011
Continuum_the perception zone, Tallinn Art Hall, Tallin
2010
TONSPUR_expanded / DER LAUTSPRECHER, MQ Wien, Wien
The View, Contemporary Art Space, Berlingen
RAUMREFLEXION, KOLUMBA Museum, Köln
MaerzMusik, Berliner Festspiele, Berlin
2009
Klangraum Krems, Minoritenkirche, Krems
See This Sound, LENTOS Linz, Linz
Donaueschinger Musiktage, Donaueschingen
Corps Sonore, EPFL, Lausanne
2008
Feedbackstage, Georg Kargl Fine Arts, Vienna; Galerie Thomas Schulte, Berlin
2007
Sound Dimension, San Sebastian
2006
Sonambiente, Akademie der Künste, Berlin
2005
Das digitale Bauhaus, Pèlerinages, Kunstfest Weimar, Weimar
Radio France, Atelier de Création Radiophonique
2004
Ex.Position, Ferdinandeum, Innsbruck
Zeitversetzt, Pèlerinages, Kunstfest Weimar 2004, Weimar
MaerzMusik, Berliner Festspiele, Berlin
2003
Donaueschinger Musiktage, Donaueschingen
2002
Resonanzen II, Stadtgalerie Saarbrücken, Saarbruecken
2000
Resonancias, Museo Municipal de Malaga, Malaga
1998
Crossings, Kunsthalle Wien, Wien
1997
Des Eisbergs Spitze, Kunsthalle Wien, Wien
1996
Sonambiente, Akademie der Künste Berlin, Pariser Platz, Berlin
1994
Blaues Wölben, Forschungszentrum Austria Tabak, Wien
1993
Grosse Raumwiege, Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof, Berlin
Agoraphon, Mediale Hamburg, Hamburg
1991
Sinneswerkzeug, Steirischer Herbst, Graz
1986
Biennale di Venezia, Venedig
1985
Kreuz-Klang-Körper, Hamburger Kunsthalle, Hamburg
Vom Klang der Bilder, Staatsgalerie Stuttgart, Stuttgart
1984
Walter Philips Gallery, The Banff Centre, Alberta
1983
Electra Musée d´art moderne de la ville de Paris, Paris
1982
ars electronica, Linz
documenta 7, Kassel
1981
Soundings, Neuburger Museum, Purchase, New York
1980
Für Augen und Ohren, Akademie der Künste, Berlin
Ecouter par les Yeux, ARC, Musée de la ville de Paris, Paris
1979
Sound Space, P.S.1, New York
Anfrage
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