Costa Vece
Costa Vece, 1969 in der Schweiz als Sohn italienisch-griechischer Eltern geboren, wurde spätestens durch seine Beteiligung an der Biennale von Venedig 1999 international bekannt. Seit Beginn seiner künstlerischen Laufbahn zählen Karton und recycelbare Materialien zu seinen bevorzugten künstlerischen Mitteln. In der Georg Kargl BOX zeigt Costa Vece eine erneute Auseinandersetzung um das Thema „Revolucion - Patriotismo“, einem weltweit angelegten Projekt, das 2005 in Genf gestartet wurde und nach Turin, Rom, Berlin und Amsterdam nun erstmals in Österreich gezeigt wird.
Aus einfachen, gefundenen Materialien und Alltagsgegenständen wie Ziegel, Stacheldraht und getragenen Kleidern vom Flohmarkt besetzt Costa Vece in dieser Installationsreihe ganze Räume, die den Betrachter emotional wie physisch bedrängen und ihn als einen ständig sozial und politisch veränderbaren Handlungsspielraum deutlich machen. Während Vece in der Schweiz und in Italien seine Installation als abgegrenztes Territorium definierte, in das nur er und die ausländische Bevölkerung des Landes Zutritt hatte, ist die Installation in der Georg Kargl BOX allen Besuchern zugänglich. In den architektonisch und funktional festgeschriebenen Rahmen der Galerie baut Vece ein raumfüllendes Zelt aus den Nationalflaggen der in Österreich lebenden Ausländer aus nicht EU Staaten und lenkt damit die Aufmerksamkeit auf jenen Teil der Bevölkerung, die als „zweite Klasse“ Ausländer Heerscharen an billigen, teils illegalisierten Arbeitsmigranten im Baugewerbe oder im Dienstleistungssektor bilden. Jede einzelne Flagge besteht aus gebrauchten und aussortierten Altkleidern wie T-Shirts, Socken oder Jeans, die Spuren ihrer globalen Produktionsorte und Verwendungen tragen. Durch ihre Umnutzung zur Herstellung eines Kunstwerks werden sie aus der anonymen Sphäre der Warenzirkulation herausgerissen und in den konkret lokalen Kontext überführt. Das Zelt ist mit einer Lampe, Sesseln und einem Tisch mit Fernseher ausgestattet und definiert einen gleichsam privaten Raum im öffentlich-institutionalisierten Galerieraum, ein Land im Land, das dem Grundbedürfnis nach Schutz und Geborgenheit nachkommt. Die Idee für Wien ein Zelt zu konzipieren entstand aus den Repräsentationsgewohnheiten des lybischen Potentaten Muammar al Gadaffi, der selbst bei offiziellen Staatsbesuchen im Ausland immer mit seinem Beduinenzelt reist, um darin Empfänge abzuhalten.
Ausgangspunkt seiner künstlerischen Überlegungen war die Reflexion seiner persönlichen sozialen Situation als Angehöriger jener „Zwischengeneration“ in der Schweiz, die zwar im Land geboren ist aber weder Staatsbürgerschaft noch Wahlrecht besitzt, sofern sie nicht in der Lage ist entsprechende finanzielle Zuwendungen an den Staat zu leisten. Eine im letzten Jahr durchgeführte Volksabstimmung zu einer Gesetzesänderung, wonach der dritten Generation eine automatische Einbürgerung ermöglicht und die Einbürgerungszeit verkürzt werden sollte, wurde vom Großteil der Bevölkerung abgelehnt. Innerhalb der EU entwickelt sich durch die durchlässigen Grenzen und der ständig zunehmenden weltweiten Vernetzung der Gesellschaften eine immer größer werdende Intoleranz gegenüber Ausländern. Rechtsgerichtete Gruppierungen wenden sich gegen die fortlaufende Vereinheitlichung der Kulturen durch die im Zuge der Globalisierung erfolgte Zuwanderung und gegen die abnehmende Bedeutung der Nationalstaaten. Eine konservative Politik der Angst und der Ausgrenzung schürt ein Feindbild allem Fremden gegenüber und findet auch hierzulande immer noch regen Zulauf.
Costa Vece stellt die gesellschaftspolitischen Ordnungen und Wertesysteme im sozialen, ökonomischen und politischen Kontext in Frage, in dem er die Gesetze des hierarchischen Systems durchbricht und die Machtverteilung zwischen Ausgegrenzten und Beherrschern innerhalb des nationalen Gefüges umkehrt und egalisiert. In seiner gesellschaftskritischen Bestandsaufnahme der Gegenwart, in der sich ein immer schneller werdender und global vereinheitlichter Strukturwandel vollzieht, verbinden sich Globalität mit Lokalität. Er lenkt damit die Aufmerksamkeit auf die instabile Gesamtlage der menschlichen Situation und die menschenunfreundliche Atmosphäre. „Revolucion – Patriotismo“ kann als Hoffnung gelesen werden, inmitten einer globalisierten Beschleunigungskrise innezuhalten und den Blick auf ein aufgeklärtes Miteinander anstatt ein kulturelles Gegeneinander jenseits selbst auferlegter Grenzen zu richten. „Ich möchte eine Revolution starten. In der Schweiz hat es noch nie eine Revolution gegeben. Ich hatte die Idee einen Art „Nicht-Staat“ zu schaffen, in dem jeder willkommen ist.“
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