Herwig Kempinger
HEAVY METAL
Heute, da der Bildschirm als allgegenwärtige Prothese zur Verrichtung jeglicher Tätigkeit vorherrscht, ist uns manuelle Arbeit sowie der direkte Kontakt mit Material und Maschine fremd geworden. Die Technik entfernt uns immer weiter von tatsächlichen Produktionsprozessen. So ist es nicht verwunderlich, dass die Malereien Herwig Kempingers, die gewaltige Szenarien der Metallproduktion darstellen, befremdlich wirken. Hochöfen und Schmelzkessel, Gasbehälter und Maschinenstraßen in großen Industriehallen bilden die Kulisse, von den Akteuren fehlt jedoch jede Spur. Kempingers Bilder sind menschenleer. Die Feuer in den Bildern zeugen zwar von einer aktiven Produktion, doch auf keinem der ausgestellten Tableaux ist jemand zu sehen. Daraus resultiert eine Zeitlosigkeit, die es uns unmöglich macht zu bestimmen, ob wir uns in einem vergangenen oder zukünftigen Universum befinden. Ganz bewusst eliminiert Kempinger den Bezugspunkt Mensch aus seinen Arbeiten. Was gewöhnlich im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, bleibt Leerstelle, Projektionsfläche der Imagination. Die abendländisch geschulte Erschließung des Bildes über die Figur wird untergraben. Die eingefahrene Hierarchie im Verhältnis von Zentrum und Peripherie wird umkehrt und der Blick ist frei für die wenig vertraute Schönheit von Maschine und Industrie. Die bestechende Unmittelbarkeit, sowohl im Sujet wie auch in der Darstellung ist auffällig – kennen wir Herwig Kempinger doch vorwiegend als Fotografen, der mit seiner Kamera abstrakte Arbeiten ohne einen konkret auszumachenden Bildgegenstand schaffte. Die Realität, die uns bei der Serie Heavy Metal mit voller Wucht begegnet, verbannte er damals programmatisch aus seinen Bildern. Er operiert, wie er es selbst nennt “gegen den Strich”1 der Medien. Solange er mit dem dokumentarisch/objektiven Medium der Fotografie arbeitet, bleibt er abstrakt, liefert also keine ausschnitthaften Abbildungen einer tröstenden Wirklichkeit. Seit seiner Hinwendung zum subjektiven Medium der Malerei werden seine Bildgegenstände konkreter, wie auch schon in einer vorhergehenden Serie, in der Herwig Kempinger Aquarelle von Baustellen malte. Reduziert auf wenige, vollflächig eingesetzte Farben, abstrahierte er diese Motive zu grafisch anmutenden Systemen. “Baustellen sind die größten, gewaltigsten temporären Inszenierungen, die wir heute haben … so ähnlich wie die Oper”2, beschreibt er sein Interesse an diesen gewaltigen, zweckgebundenen Akkumulationen von Material.
Wenn Kempinger also Baugründe als Bühnen betrachtet ist es nicht verwunderlich, dass ihn das Innenleben von Stahlhütten mit ihren kolossalen Maschinen und Schmelzöfen als Akteure und ihren gleißenden Feuern als Lichteffekte fasziniert.
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1 Gespräch mit Maren Lübbke-Tidow, in: Ausst. Kat. „Herwig Kempinger – Digital Sky and Flat Space“, Lentos Linz,
Schlebrügge.Editor, Wien, 2006, S. 135
2 Gespräch mit Thomas Trummer, in: 22 Interviews zur Ausstellung „Das Neue II“ im Atelier Augarten, Kat. Österreichische
Galerie Belvedere und Revolver Verlag, Wien/Frankfurt 2005, S. 68
Text: Marie Duhnkrack
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