Rosa Rendl
Colour Charts
“Ocean drop” und “Homecoming” sind Schattierungen von Nagellack. Wände lassen sich in Farben wie “Steinblaue Schönheit” (ein “elegantes blaugrau”) oder “Zauber der Wüste” (ein “zartes Sandbeige”) streichen. Farbtöne von Kosmetika liefern ein poetisches Gebrauchswertversprechen, während Textilien und Garne farblich häufig nach nüchternen Zahlencodes differenziert werden. Farben im Sinne eines Produktmerkmals markieren nicht bloß mögliche Nuancen, sondern spannen als visuelle Zeichenträger ein assoziatives Feld auf, das Geschmack an Lifestyle koppelt.
Farbkarten, Farbfächer und Produktsamples präsentieren diese affektiv besetzten Farbwelten und zeigen das Spektrum des Konfektionierbaren eines an sich gleichbleibenden Produkts. Als partielles Surrogat der eigentlichen Ware steht die Farbkarte für ein aufgeschobenes Begehren, denn sie markiert eine Vorstufe des eigentlichen Konsums. Wo Standard vorherrscht, verspricht sie Individualisierung, wo Prä-Selektion das Angebot reduziert, suggeriert sie grenzenlose Auswahl und fächert das Repertoire des Möglichen auf. Sie ist damit Repräsentantin einer Welt, die Individualisierung immer stärker betont, in Zuge der voranschreitenden Globalisierung alles jedoch vereinheitlicht.
Rosa Rendl hat exemplarische Farbkarten und Produktsamples aus der Zeit von 1960 bis heute gesammelt. Ihre Fotografien setzen sie in Szene, als handele es sich um Produkte für einen Katalog. Es sind Aufnahmen, wie man sie aus der Reprofotografie kennt – sachliche Wiedergaben von Gegenständen, bei denen sich die Kamera jeder interpretierenden Perspektivierung zu enthalten scheint. Die formale Ausrichtung und der scheinbare Verzicht auf alles Erzählerische betonen die Übersetzung des Gegenstandes in den zweidimensionalen Raum der Fotografie, seine abstrakte Bildwerdung. Die satte Farbigkeit, die die Textilproben, Farbfächer und Beispielbilder vermitteln, präsentiert sich meist in einem geometrischen Raster. Dominant ist in diesen die klassische Studiofotografie zitierenden Aufnahmen allerdings das kühle Weiß des Hintergrunds – eine Neutralität suggerierende Farbe, die Individualität und Extravaganz geradezu bürokratisiert. Vor allem diese Bruchlinie zwischen dem Schwelgen in Farbe und seiner fotografisch arretierten Suspension prägt die nur scheinbar nüchternen Werke. Sie zeigen abwesende Waren im Zustand ihrer Potenzialität, in einem Schwebezustand, in dem noch alles möglich zu sein scheint. Das verleiht ihnen eine gewisse Melancholie. Gleichzeitig zelebrieren sie eine, wenn nicht die Essenz des Fotografischen: seine Farbigkeit, gerade weil sie hier ein Möglichkeitsfeld aufspannt statt einem konkreten Gegenstand anzuhaften.
Die lakonische Inszenierung von Produkten und Dingen, die cool wirken oder indifferent, die uns anziehen oder gleichgültig lassen, ist typisch für Rosa Rendls Fotografie. Selbst Designerin von Swimwear, hat Rendl sich intensiv mit Modefotografie beschäftigt, sich deren Produktblick angeeignet und ihn zugleich sublimiert. Materialitäten und Texturen spielen in ihren fotografischen Arbeiten eine wichtige Rolle, aber das latent Verführerische wird bewusst ausgebremst und konzeptuell überlagert – und lässt sich dennoch nicht unterkriegen. Wo es vom Gegenstand abzufließen scheint, holt es die Sprachebene wieder ins Bild hinein. Die Opulenz der Farbprosa produziert einen konnotativen Überschuss, der sich über das Sichtbare legt, es umwirbt, becirct und erstrahlen lässt, bis Farbe und Wort etwas Drittes bilden, das unsere Subjektivität zutiefst affiziert.
Vanessa Joan Müller
Biografie
1983 in Baden geboren, lebt und arbeitet in Wien
Ausgewählte Einzelausstellungen
2023
YOU YOU/REJECTION (mit Ketty La Rocca), MLZ Art Dept, Triest
2022
Colour Charts, Georg Kargl BOX, Wien
2019
Rejection, Kunstraum Weikendorf, Kunst im Öffentlichen Raum Niederösterreich, Weikendorf
Kartell, Georg Kargl BOX, Wien
2018
Opportunity Lover, Kunstwerke Institute for Contemporary Art, Bob´s Pogo Bar, Berlin
Vilgefortis, Lonely Boys und Battle-Ax, Cordova, Barcelona
2017
Playing, Gillmeier Rech, Berlin
Concerts of Coreality, Lonely Boys, Sandy Brown, Berlin
2016
Holy and Repulsive, Lucas Hirsch, Düsseldorf
2015
What You Desire, Belvedere 21, Wien
2014
How Alive Are You, Bar Du Bois, Wien
Ausgewählte Gruppenausstellungen und Performances
2024
Body at Play, Georg Kargl BOX, Vienna
2022
Kollaborationen, mumok, Wien
Tipsy Tina, Kunsthalle Exerngasse, Wien
2021
Posters by artist bands, Fluc, Wien
GEORG KARGL EDITIONS, Georg Kargl Permanent, Wien
Stay Brief, and Leave, Fondation Pernod Ricard, Paris
2020
Would You Be Available…, Georg Kargl Permanent, Wien
Attempt at Rapprochement, Georg Kargl Fine Arts, Wien
Soft View / Privatissime, Neuer Essener Kunstverein, Essen
2019
Über das Neue, Kunstraum Innsbruck, Innsbruck
Sketch I, Halle für Kunst, Lüneburg
Über das Neue - Junge Szenen in Wien, Belvedere21, Wien
Performance by Appointment, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2018
Lonely Boys Performance, Roter Salon, Volksbühne, Berlin
Culture Wear, Space31, Berlin
Sunglasses, Sundogs, Paris
2017
Ritual, Lambdalambdalambda, Prishtina
Aaahhh!!!, Lonely Boys Performance, Paris International, Paris
Selfie Mania, Gebert Stiftung, Rapperswil
In Awe, Kunsthalle Exnergasse, Wien
Floating Self, Salzburger Kunstverein, Salzburg
A night for lonely boys, Kunstwerke Institute for Contemporary Art, Berlin
Der Verdienst. 2014-2017, The Oracle, Berlin
How far to open up?, Forum Stadtpark, Graz
2016
Die Sprache der Dinge, Belvedere21, Wien
Dreaming Dictionary, Skulpturinstitut, Wien
Boil the Ocean, Bodega, New York
Humble Habits Domestic Monuments, HHDM, New York
2015
White SLR, New Bretagne Belle Air, Essen
BOYS, Lonely Boys Performance mit Philipp Timischl, Halle für Kunst, Lüneburg
NEW NEEDS, Haus Wittmann von Johannes Spalt, Etsdorf/Kamp
Time to Fill up the Glass, Galerie Crone, Berlin
Lonely Boys Performance, Künstlerhaus Halle für Kunst und Medien, Graz
2014
LET’S MINGLE, FRANZ JOSEFS KAI 3, Wien
Pcnc_Bay XII: mixtape group exhibition, Ve.sch, Wien
kuratierte Ausstellungen
2020
The Shop, Georg Kargl Permanent, Wien
2016
F-Holes, Humble Habits Domestic Monuments, co-organisiert mit HHDM, New York
2015
New Needs, Haus Wittmann von Johannes Spalt, co-kuratiert mit Isabella Ritter, Etsdorf/Kamp
Preise
2022
Staatsstipendium künstlerische Fotografie, Österreich
2016
Anerkennungspreis bildende Kunst, Stadt Baden
2015
Artist Residency New York
2012
Artist Residency, Cité des Arts, Paris
2010
Startstipendium künstlerische Fotografie, Österreich
Publikationen
2021
The logic of Intuition, editiert von Attilia Fattori Franchini, herausgegeben von Georg Kargl Fine Arts
Opportunity Lover, Solo Album, erschienen bei Seayou Records
Projekte
seit 2010 LONELY BOYS – Performance Duo mit Daphne Ahlers
seit 2013 RENDL – Modelabel
Anfrage
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