Additive Abstraktion
WILL FOWLER
HERBERT HINTEREGGER
CHRIS JOHANSON
MANUEL KNAPP
ADDITIVE ABSTRAKTION:
Die ungegenständliche Malerei war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts großteils von einem reduktiven Programm geprägt, das laut einigen ihrer KritikerInnen durch diese Reduktion zu großer Reinheit führen sollte, um in einem entgegenständlichten und entmaterialisierten Bild zu kulminieren. Diese Malerei wurde innerhalb eines fortschreitenden Szenarios gesehen, das notwendigerweise einen Endpunkt erreichen musste. Obwohl eine solche Konzeption von Abstraktion fragwürdig ist, weil sie zum einen nicht das einzige Leitmotiv der damaligen Malerei darstellt und zum anderen in ihrem eindimensionalen Fortschrittsgedanken auch in sich nicht wirklich schlüssig ist, soll sie Ausgangspunkt für die Frage nach gegenwärtigen ungegenständlichen Malereipositionen sein. Was kann nach dem letzten abstrakten Bild noch passieren? Die monochrome Leinwand ist ja nicht weiter reduzierbar. Die Problematik wurde aber nicht einfach beiseitegelegt, sondern in verschiedenen Spielarten weiterbetrieben. Das figurative Abbild war in der Zwischenzeit durch mediale Vervielfältigungs- und Verfremdungstechniken auf einer Ebene angelangt, wo es selbst als Abstraktion gelesen werden konnte, da es sich in seiner unendlich erscheinenden Wiederholbarkeit aufzulösen schien – Warhol und sein Verhältnis zum abstrakten Expressionismus ist hier ein Paradebeispiel, aber auch Richters Bild einer normierten Farbpalette. Mit der Entmaterialisierung hatte es vielleicht auch nicht so ganz geklappt, sodass sich die minimalistische Malerei zwar einer modernen abstrakten Formensprache bedient, gleichzeitig Farbe und Keilrahmen aber wieder ins Bild zurückholen konnte. Konzeptkunst, ursprünglich als Antimalerei erdacht, konnte ins gemalte Bild Eingang finden, etwa durch die formalen Parallelitäten von Buchstaben und abstrakter Form. Auch die Installationskunst hat gewissermaßen am Bild angedockt und es so mit der Skulptur und ihrer Materialität verbunden. Ein anderer Aspekt betrifft die Formen der modernen Abstraktion: Diese sind im Laufe der Jahre ja selbst schon Teil der uns umgebenden Welt geworden, über Architektur und Gebrauchsdesign wurden sie Gegenstände und sogar Teile von Landschaften. Wenn sie wieder ins Bild zurückkehren, bekommen sie so eine andere Bedeutung, ihre Ungegenständlichkeit entspricht vielleicht gar nicht der Wahrheit.
Das altbackene Bild der Malerei vermittelt immer wieder, dass sie (vielleicht gemeinsam mit der Skulptur) im Zentrum alles künstlerischen Schaffens steht, dass alles andere auf oder gegen sie gebaut ist. So wird sie immer wieder zur Nostalgieinsel, die sich gegen alles, was sich in der Moderne – oder davor – entwickelt hat, abschirmt. Der Weg in die Vergangenheit erfreut vielleicht manchen Kunsthistoriker, ist jedoch von der Gegenwartskunst weit entfernt. Die oben beschriebene Weiterführung der Abstraktion widerspricht diesem Bild von Malerei deutlich, da wir sehen, wie das Medium auf andere Medien und Kunstrichtungen reagieren und sie fortsetzen kann. Es war die moderne Abstraktion, die ein reduziertes und klares Vokabular entwickelt hat, das Ausgangspunkt für neue Untersuchungen sein kann, Untersuchungen, in denen außermalerische Aspekte hinzugefügt werden. Die Malerei baut auf Überlegungen der Konzeptkunst, der Pop-Art, des Minimalismus, der Installation etc. auf. Das heißt aber nicht, dass traditionell innermalerische Probleme unberührt bleiben. Die formalen Aspekte sind von den Inhalten nicht zu trennen. Minimale Veränderungen in der Grammatik der Moderne können drastische Folgen auf beiden Ebenen haben. Eine Unschärfe an den Rändern einer geometrischen Figur oder ein kleines gestisches Moment, das eine ansonst klare Flächenaufteilung durchbricht, fügen dem Bild völlig neue inhaltliche Momente hinzu. Die Vermischung oder Überlagerung verschiedener reduktiver Aspekte der Ungegenständlichkeit erzeugt Bedeutungen, die innerhalb des alten Kontextes gar nicht entschlüsselbar sind. Diese Additionen sind nur innerhalb der Geschichte der letzten 60 Jahre verständlich und die Referenzen gehen weit über die Malerei hinaus. Vorher war die Abstraktion ein zielgerichtetes Projekt, das die hegemoniale Stellung des gemalten Bildes innerhalb der Kunst endgültig festigen sollte. Durch diese Logik hat sich die Malerei aber auch isoliert und konnte nur mehr internen Regularitäten folgen. Additive Abstraktion bedeutet immer eine Öffnung des geschlossenen Raumes. Das formale Inventar bleibt zwar stark beschränkt, aber schon die geringsten Veränderungen an dem festgefügten Kanon erzeugen eine mächtige Sprache. Die Kargheit dieser Sprache ist nur eine vorgebliche. Ihre Symbole sind nicht nur das, was auf dem Bild sichtbar ist, die Referenzen liegen tatsächlich außerhalb, in diesem Sinne besitzt sie keine autonome Grammatik.
Martin Prinzhorn
Die Arbeiten von Will Fowler (*1969, Winston-Salem NC) haben ihren Ursprung in der Dekonstruktion der zweidimensionalen Bildfläche. In früheren Arbeiten werden noch tatsächliche Skulpturen aus dieser Fläche in den Raum geführt oder der Keilrahmen selbst bewegt sich als Objekt in den Raum. Diese Dreidimensionalität wird auch in den neuen Bildern weitergeführt, allerdings nur mit Mitteln, die direkt auf die Leinwand aufgetragen sind. Hier gibt es Überlagerungen, die durch Form und Textur eine Objekthaftigkeit im Bild erzeugen. Die Formen sind zwar einer Grammatik der Moderne und des Minimalismus entlehnt, ihre vielschichtige Zusammenführung erzeugt jedoch Orte der Unsicherheit des Sehens, die Dichte der Eindrücke lässt keinen Endpunkt zu.
Herbert Hintereggers (*1970, Kirchberg in Tirol) Kunst zeigt einen Weg von konzeptuellen Überlegungen hin zur Wahrnehmung des Bildes. Auch hier wird durch Materialität eine Unruhe oder Uneinordenbarkeit erzeugt, die den Formen der Bildoberfläche zu widersprechen scheint. Die Entscheidung, ausschließlich mit handelsüblichen Kugelschreiberfarben zu arbeiten oder ein bestimmtes Material als Grund zu nehmen, situiert die Bilder außerhalb der gewohnten Wahrnehmung und verleiht ihnen so einen objekthaften und vom Taktilen bestimmten Charakter. Diese Verfahrensweise kehrt sozusagen die Abstraktion um, da am Ende keine reduktive Klarheit sondern perzeptuelle Vieldeutigkeit steht, die Spannung erzeugt. Auch bei Hinteregger wird die Malerei oft von installativen Überlegungen begleitet.
Chris Johanson (1968, San Jose CA) ist in einem etwas anderen Sinn nicht auf Malerei reduzierbar. Zeichnung, Installation und Skulptur spielen bei ihm auch völlig gleichberechtigte Rollen. Die unterschiedlichen formalen Elemente wirken wie verschiedene Personen, die in einem großen Narrativ in immer neuen Rollen auftreten. Abstrakte Formen werden nicht nur mit figurativen vermischt, sie treten auch neben oder auf diesen auf. Dabei treibt Johanson auch ein ironisches Spiel damit, dass hinter jeder Ungegenständlichkeit ein figurativer Sinn verborgen ist. Abstraktion definiert sich also als ihre eigene Geschichte, sie ist ein Baustein mit einer figurativen Bedeutung. Oft verdichtet sie sich in einen Bildmittelpunkt, oft zerstreut sie die Dinge in alle Richtungen. Die Distanz, die der Künstler hier zur Geschichte der Kunst aufbaut, bleibt aber nicht alleine und als Witz bestehen. Dazu ist die Bühne zu voll besetzt, es ergibt sich letztendlich eine gesamtkunstwerkartige Szenerie von großer Dichte. Dabei wird die Abstraktion hinzu addiert.
Manuel Knapp (1978, Wolfsberg in Kärnten) gehört einer Generation von KünstlerInnen an, die sich gar nicht mehr auf spezifische Medien reduzieren lässt, er inkorporiert daher in seine malerische Praxis ganz selbstverständlich Überlegungen aus anderen Bereichen. Sound und Installation bewirken, dass seine Malerei neben ihrem autonomen Status immer auch Baustein eines erweiterten Feldes ist. In den in der Ausstellung gezeigten Bildern geht es eben auch um Filmformate und das Medium Film an sich: Was zunächst wie eine zurückgenommene abstrakte schwarz-weiß Komposition aussieht, wird bei längerer Betrachtung zum Sichtfeld des technischen Mediums, die Oberfläche der Bilder transportiert die Anfälligkeit und Fragilität des Materials. Malerei und ihre Wahrnehmungstraditionen werden hier auch dazu eingesetzt, um die Vorgaben und die Materialität eines ganz anderen Mediums zu verhandeln.
Die Ausstellung Additive Abstraktion kuratiert von Martin Prinzhorn findet im Rahmen von „curated by_vienna 2013: Why Painting Now?“ von 10.10. bis 14.11.2013 statt.
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