Elke Krystufek
Needs
Look me in the eye and if you see familiarity then celebrate the contraction! Die Wienerin Elke Krystufek braucht in ihrer Heimatstadt eigentlich nicht näher vorgestellt zu werden: zu bekannt, zu öffentlich ist ihr Privatleben, welches das Künstlerleben wechselseitig bestimmt. Das Selbst ist ihr Antrieb, ihre Begierde, ihr Glück und zugleich ihr Fluch, ein Selbst-Bewusstsein, welches in offensiver Bekanntmachung die eigene Persönlichkeit demonstriert. Wir alle kennen dieses Phänomen innerhalb massenmedial populäre Aussagen der Stars für wenige Minuten, hilflose Versuche über körpersprachliche Offenheit die Konsumenten in eine scheinbare Nähe mit den Idolen zu bringen. Das Selbst als materielles Haben bestimmt das Bewusstsein.
Fear, let’s talk about it. Ganz anderes bei Elke Krystufek, deren mannigfaltiges, multimediales Werk in diversen Kontexten steht: Performance, Handlungs- und Inszenierungstechniken, das Selbstporträt als „Spiegel der Seele“, feministische, genderspezifische Verhaltens- und Aktionsweisen, der Konstruktion von Weiblichkeit, der Untersuchung von Aneignungsmechanismen, der Musik und Mode. Immer schreibt der Blick als paradigmatisches Vehikel für Ängste, Wünsche, Freuden, Lüste, Begehren und Scham uns selbst oder anderen Gegenüber ein. Bei Krystufek ist das Selbst die Ikone, eine Verherrlichung und Infragestellung des Ichs, eine gewünschte Interaktion als Kommunikation über das Problem des Andersseins. Was wir sind und wer wir sind, bestimmen letztlich gar nicht wir selbst, sondern erstaunlicherweise eine Vielzahl von Parametern, die nicht in unserer Hand liegen.
I will fight for the right to live in freedom! In der Ausstellung Needs werden erstmalig Gemälde gezeigt, in denen die Malerin nicht mehr die Hauptakteurin ist. Zwar ist sie auf den zwei chronologisch ersten noch selbst nackt zugegen, aber auf den anderen, alle haben das gleiche Format von 2 x 3 m, stehen andere Personen monumental im Vordergrund. Sie zeigen Porträts aus Bildern vorrangig des 18. und 19. Jahrhunderts, von Niederländern, Prä-Raffaeliten u.a.: Jesus und Maria, Madame Ferrand über Newton meditierend, Madame Recamier von Gerard oder Madame Riviere von Ingres; auch Schriftsteller und Musiker des letzten Jahrhunderts: Rimbaud, Brel, Cohen oder Cat Stevens, und sogar ihre Mutter sowie ein anonymer Yogi in einer schwierigen Position. Das ist es überhaupt, schwierige Positionen, denn obwohl alle Akteure auf einem sehr dünn und gestischen weißem Untergrund aufgetragen wurden und in den Krystufekschen Stilmitteln gehalten sind, erleben wir sie als Anwesende, als unvermittelt Schauende oder fordernde Gegenüber. Gleichwohl ein eher zartes Inkarnat vorherrscht, empfindet man auch die Ausdrucksstärke aller Gesichter, in denen zugleich malerisch Aggression oder Frustration mitschwingen. Frauenporträts von Männern, die dennoch alle Porträts einer Malerin sind, und in denen sich viel Weiblichkeit als eine physische Kopplung auf die männlich dominierende Position zu entwickeln scheint.
“Egofugality” is nothing less than an evolutionary proposal, according to Krystufek ... Bei Krystufek ist das Idol die Ikone des Selbst, die Verherrlichung und Infragestellung des Ichs, wo eine gewünschte Interaktion als Kommunikation eine gerade die Massenmedien charakterisierende Interpassivität darstellt. Andererseits stehen die von Krystufek entworfenen Kleidungsstücke in einem Bezug zum Lebensentwurf, der prägnant über den Körper und seine Oberfläche geschieht. In dem sie selber Stücke designt, die als individueller Ausdruck auch für Selbstentwurf und -ausdruck stehen, der exklusiv und kostspielig sich gegen alles Von-der-Stange wehrt.
Auch die moralische Frage nach den Produktionsbedingungen, bestimmte Ansprüche an Funktionalität und Ästhetik, ganz allgemein der Gebrauch von und das Bedürfnis nach Kleidung bestimmen die Erscheinung, Optik und Verwendung dieser nicht nur durch abknöpfbare Kunstwerke definierten sehr stofflichen Selbstporträts. Ähnlich gelagert ist die Verwendung der Möbel und hier der Sessel aus Ihrer alten Wohnung, bei denen sie die Rücken und Sitzflächen im Stile von Sue Williams, Muntean/Rosenblum, Lisa Ruyter und Karen Kilimnik bemalte, so als ob mit deren Malstil ikonographisch die Abwesenheit der Person über den leeren Stuhl magisch rückgeführt werden könnte. Als Pol zwischen diesen Gruppen findet sich eine vierte Serie, bei der sie sechs Gemälde schuf, die auf ihre vorletztjährige Gastprofessur in Linz zurückgehen, bei der Krystufek sechsmal in verschiedenen Outfits und Maskeraden erschien. Diese Aufzüge als Drag-Queen und -King, ältere Frau oder Punk wurden gleichsam als Dramaturgie verschiedener Akte für ihre Studenten inszeniert und performatorisch zelebriert.
She’s given up talking, don’t say a word. Die Porträts anderer (bürgerlicher (Maler)) Personen individuellen Freigeistes als Exzessauflösung, die selbst entworfene Identität als authentisches Abbild des eigenen Entwurfsbildes über die Modemodelle, denen zur Versicherung des Selbst Leinwandstücke angeheftet sind und die in Kolleginnenstilen bemalten Möbelstücke als Platzhalter von Begehren und Leere geben auch über die zahlreichen und überall eingeflochtenen oder rahmenden, irrsinnigen Textzitate – mitunter wie Schnittmuster – dem fragwürdigen ICH als dem Anderen genug Nahrung. Ebenso stellt die für den Eröffnungsabend geplante Performance, bei der rund 25 Personen ihre Kleider tragen werden, einen Kostümball dar, der als Catwalk unter Gleichgesinnten die Methode benutzt, um die Struktur zu befragen. Wie wunderbar klingt da die alte Yoga-Weisheit, dem zum Islam übergetretenen Cat Stevens an die Seite gestellt: Be happy with what you have in life. Nur schwer rauszufinden, was das ist, das reale Haben!
Gregor Jansen
Anfrage
Bitte hinterlassen Sie Ihre Nachricht hier