Gabi Trinkaus
Mind the Gap
Gabi Trinkaus bezeichnet sich selbst als „Mediendiebin“. Sie zerschneidet Hochglanzmagazine in kleine Teile und gestaltet daraus Collagen zu Portraits und Stadtlandschaften, die Bezug nehmen auf die Ästhetik der Werbung und Medien. Gebräuchliche Posen, Schönheitsideale und Warenangebote werden aufgegriffen und in den großflächigen Arbeiten gesampelt. So findet sich dann zweckentfremdet ein Fuß als Fragment des Ohrs, Haare als Lippen oder Markenschriftzüge als Bestandteil der Haare wieder. Häufig werden Nadeln als Hilfsmittel zur Fixierung der einzelnen Teile verwendet, stehen aber auch als Metapher für das in den Körper schneiden und die Verwundung. Instinktive Auslassungen offenbaren in der Fragmentierung des Körpers/des Gesichts den Verletzungscharakter von Körper und Psyche. Damit werden die Verletzlichkeit, die Unvollkommenheit, die unerfüllten Wünsche und die Verwundbarkeit des Menschseins zum zentralen Thema.
In diesen Make-Overs von Gesichtern und Körpern erzeugt Trinkaus eine oberflächlich perfekte Form und lockt den Betrachter in eine visuelle Falle indem bewusst die Medien- und Werbeikonographie als Köder für den ersten Blick aufgegriffen wird. Durch das Herantreten und die Wahrnehmung der Bilddetails und ihrer Inszenierung entsteht durch den zweiten Blick ein Bedeutungswandel. Durch die Anlehnung an die in der Werbewelt verbindlichen Ästhetiken, anonyme Gesichter und gängigen Posen spielt Trinkaus in ihren Arbeiten mit der Idee der Verführung. Mit Hilfe der Collagetechnik kreiert sie eine frankensteinartige Wiederauferstehung der in kleine Teile zerschnittenen Werbesujets. Wie abblätterndes Make-up scheinen sich die Gesichter und die Körper aufzulösen und enttarnen die Maskenhaftigkeit unserer täglichen Lebensperformances.
Die einzelnen Magazinteile mit ihren unterschiedlichen Bedeutungsebenen sind wie eingeschrieben in den sich konstituierenden Gesichtern, Körpern und Landschaften und verweisen auf den aktuellen neurologischen Forschungsdiskurs im Sinne Klaus Theweleits. In diesem wird der Körper neben dem Gehirn als Speichermedium verstanden, Bilder, Texte und Erfahrungen scheinen jenseits des enzephalonen Nervensystems unterbewusst wahrgenommen, erinnert und nachgeahmt zu werden. Wenn auch Medienproduktions- und Bildmanipulationsprozesse bekannt und transparent sind und deren Produkte immer nur künstlich und irreal sein können, herrscht Konsens über das Ideal eines perfekt geformten und makellosen Körpers.
Medial wird die Illusion von käuflicher Schönheit, Style und Glück kreiert, die eine Atmosphäre von Wunschdenken erzeugt: alles wird zur Ware. Tatsächlich existentes Aussehen, Lebensentwürfe aber auch persönliche Geschmacksempfindungen werden sekundär in Realitäten, in denen die Schönheitschirurgie eigene Fernsehserien bekommt und Casting- und Celebrityshows sich dem Starund Schönheitskult widmen.
Marken und deren Images bieten Orientierung in der komplexer werdenden anything-goes-Gesellschaft und schaffen Vertrauen in die eigene Wahl zwischen den verschiedenen Warenangeboten und deren Images. Mit Hilfe von Fertigprodukten, Lebensratgebern und Lifestyletrends wird scheinbar eine einfache, bequeme Gestaltung des Lebens ermöglicht, eine Art Convenience Lifestyle entsteht analog zum Convenience Food.
Durch professionelles Styling vorbereitete und in Bildbearbeitungsprogrammen nach- und aufbereitete Gesichter und Körper, die in ihrer Perfektion ästhetische Vollendung und vollendete Ästhetik vorgaukeln, bleiben virtuelle Bilder, die nicht als real aber als realistisch rezipiert werden. Um dieser Norm zu entsprechen wird mithilfe verletzlichster Techniken wie der plastischen Chirurgie Durchschnittsattraktivität erzeugt. In den Portraits von Gabi Trinkaus sind oft mehrere Schichten erkennbar, andere Bereiche wiederum werden ausgespart, durch die feine Vorzeichnungen durchschimmern. Diese Linien erinnern an die unter der Oberfläche liegenden Nervenbahnen und gleichzeitig an Markierungslinien chirurgischer Eingriffe, während die Auslassungen auf die endogene und exogene Verletzlichkeit unserer Körperlichkeit und Identitäten verweisen.
In den Stadtlandschaften wirft Gabi Trinkaus Fragen zu unseren privaten und öffentlichen Identitäten, sozialen Rollen und Handlungsspielräumen auf, die ihren sozialen und architektonischen Raum in der urbanen Umgebung finden. Die Helligkeit der Stadtansichten speist sich aus den dargebotenen und vermeintlich glamourösen Blitzlichtgewittern der Magazine.
Zwischen Labels und Textfragmenten sind neben Sektgläsern, Autos und Uhren auch Pistolen und Handschellen in die großflächigen visuellen Täuschungen eingewoben und verweisen auf die Ambivalenz globalisierten Lebens. Zwischen industriellen Glasscheiben verarbeitet Trinkaus die Restprodukte der Ausschneidungen zu einer eigenen Bilddramaturgie. Diese Cut-outs erzeugen mit ihren brutalen, witzigen oder beängstigenden Images beunruhigende visuelle Eindrücke, die dazu auffordern die Ausschnitte zu einem Ganzen zusammenzusetzen. Als Kontrapunkt zu unserer mediendominierten Gesellschaft konfrontiert uns Trinkaus mit ihren ironisch gebrochenen, von Bildsymbolik aufgeladenen Collagen, in denen unsere Realität demontiert, reinszeniert und somit deren Fetischisierung entlarvt wird.
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