Gabi Trinkaus
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Referenzieren, Zitieren, Exzerpieren, Kopieren, aus dem gewohnten Zusammenhang lösen und Rekontextualisieren: Die künstlerische Methodik der Collage hat sich im digitalen Zeitalter, in dem in Sekundenschnelle eine Flut an Bildern und Informationsmaterial zur Verfügung stehen und stets neue Techniken entstehen, die im Stande sind unsere Weltvorstellung zu verändern und zu manipulieren, neue Aktualität gewonnen. „Cut & Paste“ wird zur allgegenwärtigen Methode, das Collagieren wird in einer Zeit, in der politische, ökonomische und gesellschaftliche Ordnungssysteme hinterfragt und komplett neu geordnet werden, als probates Mittel der Realitätswahrnehmung und Wirklichkeits(de)konstruktion angesehen.
Seit einem Jahrzehnt setzt sich Gabi Trinkaus in ihrer künstlerischen Praxis mit Collage auseinander. Sie zerschneidet sowohl Hochglanzmagazine als auch billige Werbeprospekte in kleine Teile und gestaltet daraus Portraits und Stadtlandschaften, die Bezug nehmen auf die Ästhetik der Werbung und Medien. Gebräuchliche Posen, Schönheitsideale und Warenangebote werden aufgegriffen und in den großflächigen Arbeiten gesampelt. In diesen Make-Overs von Gesichtern und Körpern erzeugt Trinkaus eine oberflächlich perfekte Form und lockt den Betrachter in eine visuelle Falle, indem bewusst die Medien- und Werbeikonographie als Köder für den ersten Blick aufgegriffen wird. Durch die Anlehnung an die in der Werbewelt verbindlichen Ästhetiken, anonyme Gesichter und gängigen Posen spielt Trinkaus in ihren Arbeiten mit der Idee der Verführung. Zugleich evozieren ihre Collagen ein Gefühl des Verlusts und des Scheiterns der Wahrnehmung von einer heterogenen, in ihrer Komplexität nicht mehr vollständig zu erfassenden Welt. Wie abblätterndes Make-up scheinen sich die Gesichter und Körper aufzulösen und enttarnen die Maskenhaftigkeit und Künstlichkeit von Identitätskonstruktionen und täglichen Lebensperformances.
In ihrer dritten Einzelausstellung bei Georg Kargl führt Gabi Trinkaus eindrucksvoll vor Augen dass die Collage nicht an Papier und Schere gebunden ist, sondern eine lebendige Auseinandersetzung jenseits von Genre- und Materialgrenzen findet. Teure Designerhandtaschen, Statussymbole einer von Modekonzernen beeinflussten Konsumgesellschaft werden zerstört, in ihre Einzelteile zerlegt und formen den Körper von Lederhunden, die von Reissverschlüssen, Ketten und Nieten überzogen, die Anmutung von Fetischspielzeugen bekommen. Tierisches Leder wird verwendet, um eine von Narben und Nähten überzogenen Haut von Hunden zu konstruieren: eine bitterböses Kommentar darauf, dass persönliche Wunschvorstellungen und Repräsentationsbedürfnisse noch nie an der freiwilligen Selbstveränderung halt gemacht haben, sondern stets auch mit der erzwungenen künstlichen Konstruktion und Zerstörung fremden Lebens einhergegangen ist. In den Stadtlandschaften wirft Gabi Trinkaus zudem Fragen zu unseren privaten und öffentlichen Identitäten, sozialen Rollen und Handlungsspielräumen auf, die ihren sozialen und architektonischen Raum in der urbanen Umgebung finden. In ihren neuen schwarz-weißen Landschaftsidyllen bricht die Bild- und Bedeutungsebene vielschichtig auf: malerisch schimmern Motive eines Toile-de-Jouy unter einem dünnen Papier mit gezeichneten und collagierten Elementen durch. Die pastoralen Szenen des französischen Baumwollstoffes verweben sich mit den Zeichnungscollagen des kapitalistisch geprägten Traums vom vorgeplanten Einfamilienhaus und dem in Glanzprospekten vermittelten High-End-Urlaubsressorts. Doch die vermeintliche Idylle zerbricht bei genauerem Hinsehen, das Paradies ist von Textfragmenten durchzogen, die an das Global Warming gemahnen; Bildausschnitte zeigen Revolten, Heckenschützen, Verwundete und Tote. Die Realität ist in den Traum eingebrochen und verweist auf die Ambivalenz eines durchökonomisierten und globalisierten Lebens. Trinkaus’ Arbeiten bewegen sich genau an dem schmalen Grad zwischen Verführung und Verunsicherung, an dem sich der Diskurs um Destruktion und Konstruktion, Schein und Wirklichkeit, Zerstörung und Erneuerung entzünden kann.
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