Gerwald Rockenschaub
no red tape
Acht Monitore, acht Animationen in puristischem schwarz-weiß. In gemessenem Rhythmus schieben sich Rechtecke, Rhomben und Dreiecke ins Bild. Kein Sound.
Wer länger hinsieht, gleitet sanft in ein Mantra wiederkehrender Loops. Was wie Strukturfilm daherkommt, ist ein neues Rechenwerk des Formrigoristen Gerwald Rockenschaub. Seine zeichenhafte Sprache im Raum erweitert sich in den Bewegungsraum und in die Zeitdimension. Abstrakter Film, am Computer gerechnet. Malerei mit Zeit. Der Verzicht auf Farbe ist ein Verstärker und führt zu einer Konzentration auf die kinetischen Abläufe: powered by reduction.
Vis à vis eine Wandmalerei entlang orthogonaler und diagonaler Koordinaten. Rockenschaub mixt vier Kader aus den Animationen, vier Kader, die ‚gut aussehen’, wie er sagt, und hält die Bewegung im Freeze Frame an. Die im Werk Rockenschaubs immer wieder gestellten Fragen nach dem Werk und seinem Vollzugsrahmen, nach Organisation von Oberfläche, nach den Konzepten von Visualität und Materialität, nach kulturellem Kontext, nach Präsenz und der Programmatik eines spezifischen ‚Looks’ werden am Bildschirm und im Architekturkontext neu gestellt. Der Wechsel des Aggregatzustands der Notationen legt Gewicht auf die Einschätzung, Kunst als Arbeit an ihrem Selbstverständnis zu begreifen.
Eine taufrische Serie von Plexiglasarbeiten entdeckt den Swing im industriell standardisierten Material: die Wandobjekte sind an der kurzen Seite nach hinten gebogen. Der Boxen-Twist verleiht den einerseits durchsichtigen, dann wieder mit Punktraster oder buntem Acrylglas gestylten Bildflächen ein durchaus samba-artiges Momentum. Dem gegenüber steht ein strenges motivisches Regelwerk: bewegt man sich im Galerieraum entlang der seriellen Abwicklung der reliefhaften Konfigurationen, wird klar, dass sich das Prinzip der Fuge auch an eine Wand schrauben läßt.
Die Intervention im gassenseitigen Raum der Galerie ist ein weiteres Beispiel für Rockenschaubs immer wieder verblüffende Technik, Interesse für die Wirkung eines Objekts auf die Wahrnehmung von Raum zu wecken. Waren es in letzter Zeit aufblasbare, durchsichtige Volumina, so baut sich hier eine Wand aus opaken, weissen Plexiglaskuben auf, die das physische Erlebnis eines vertrauten Ausstellungsraums zu einer unsteten, variablen und immer wieder überraschenden Angelegenheit macht. Gegen grün gestrichene Wände hebt sich eine hermetische Skulptur ab, die durch verzerrte Spiegelungen im Plexi lebendig wird. In einer Situation, die den Betrachter explizit mit umfaßt, steht plötzlich ein Ding im Weg. Was bedrängend und beunruhigend gleichzeitig ist. Rockenschaub verwirft die Vorstellung, dass der Raum vor der Erfahrung existiert und nur darauf wartet, angefüllt zu werden. Die Produktion der Arbeit ist der Anfang, nicht die Erfüllung ihrer Bedeutung. Deshalb hat man in einer Ausstellung von Gerwald Rockenschaub immer das Gefühl, am Anfang zu sein, am Beginn einer Reform, auf einem Sprungbrett. Von dem aus der Sprung - durch den minimalistischen Filter – in die Leere des ‚definitely something’ besonders spektakulär ausfällt.
Brigitte Huck
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