Herbert Hinteregger
How to (Untitled)
Herbert Hinteregger nimmt mit seinem seit Mitte der 1990er-Jahre entwickelten Werk eine wichtige internationale Position im Feld der abstrakten Malerei ein. Sein Werk zeichnet sich dadurch aus, dass es als eine Brücke zwischen dem Prinzip der Reduktion und dem Prinzip des Additiven und Referenziellen in der Weiterentwicklung der Abstraktion verstanden werden kann. Im Zentrum seines Werks steht die Befragung der Möglichkeiten von Malerei heute, die experimentelle Ausarbeitung einer vielfältigen Sprache der Abstraktion, die in Beziehung zur Welt steht – zum Raum, zum Körper, zu Empfindungen, Wahrnehmungen und Assoziationen, implizit auch zu gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Themen.
Hinteregger verbindet in seiner Malerei spezifische konzeptuelle, prozessuale und materialsprachliche Aspekte. Dazu gehört eine sich ständig erweiternde Palette von zum Teil ungewöhnlichen Materialien wie Kugelschreibertinte, Grundierungen, Tapes und Naturmaterialien wie Sand sowie neuerdings auch Leuchtstiftfarben, die mit Farb- und Oberflächenvariationen von Geweben und Textilien kombiniert werden – im Grunde eine Verbindung von Konsumprodukten und Naturstoffen. Dazu gehört auch seine charakteristische rhythmische Bildsprache, die zwischen Rationalität und Intuition, zwischen Konzentration und Irritation oszilliert. Das Bild Untitled (Falshöft), eines der für die Ausstellung neu entstandenen Bilder, verkörpert diese Elemente paradigmatisch. Das wellenförmige Stoffmuster des Trägermaterials tritt in einen Dialog mit den geradlinig aufgetragenen Streifen aus Kugelschreibertinte und scheint sich dieser übergeordneten Schematisierung widerspenstig zu entziehen.
Hintereggers Bildsprache hat sich über die Jahre stark ausdifferenziert. Sie reicht von frühen monochromen Farbfeldern über gestische Schwammbilder bis zu Streifen und Rauten, Netzwerken und Rastersystemen, deren Klarheit und Eindeutigkeit durch Verschiebungen, Schichtungen, Aussparungen und Drifts unterlaufen werden. Diesem Vokabular liegt ein Arbeitsprozess zugrunde, der – im Gegensatz zu allen eingeübten Effizienzbestrebungen – bewusst entschleunigt ist. Die Kugelschreiberfarbe wird manuell aus Minen ausgetropft, das Malen selbst ist aufgrund der chemischen Eigenschaften der Farbsubstanz ein langsamer, konzentrierter Prozess, der auch die Anzahl der entstehenden Malereien limitiert. In den letzten Jahren hat Hinteregger das von ihm entwickelte Vokabular zunehmend auch mit Raumkonzepten verbunden. Er begreift seine Bilder nicht als in sich geschlossene Einheiten, sondern als Elemente in Beziehungs- und Spannungsfeldern mit dem umgebenden Raum. In der aktuellen Ausstellung reagieren die Bilder auf die verschiedenartigen Räume der Galerie, verbunden durch eine minimale Raumzeichnung in Form einer neongelben Linie.
Die den Bildern zugeordneten Titel verweisen auf eine weitere Ebene in Hintereggers Werk – die konzeptuelle Überlegung, Naturerfahrungen in eine abstrakte malerische Sprache zu übersetzen, diese Übersetzung mit Eigenwert zu füllen und für die Erfahrung der Betrachter:innen zu öffnen. Das monumentale zweiteilige Gemälde Untitled (Baltic Sea) im Zentrum der Ausstellung steht dafür beispielhaft. Die konzeptuelle Strenge des Bildes mit seinem genau berechneten Rastersystem löst sich in der Betrachtung allmählich auf. Auf sandfarbenem Gewebe erheben sich feinste, in vielen Schichten gemalte Linien, die wie Wellen über die Bildfläche treiben. Die Teilung des Bildes assoziiert die Linie eines Horizonts. Wie ein Lichtschatten, vielleicht von einem Scheinwerfer oder der untergehenden Sonne, zieht sich eine Schicht aus Neongelb über den Horizont. Die Ostsee (engl. Baltic See), die Nordsee und der Atlantik mit ihrer Natur, aber auch mit den stattfindenden Zerstörungen bilden seit mehreren Jahren eine Art Gegenüber bzw. Nährboden für Hintereggers Arbeit. Sie sind eine Erweiterung der Überlegung, die ihn an der Kunstakademie dazu brachte, mit dunkelblauer Kugelschreibertinte zu experimentieren: Der Wunsch, die schwarz-nasse Oberfläche eines alpinen Moorsees auf die Leinwand zu bringen. Das feuchte Schimmern der Kugelschreibertinte hat er seither in seiner Malerei zur Perfektion getrieben.
Jürgen Tabor,
Kunsthistoriker, Autor und Kurator der Sammlung Generali Foundation am Museum der Moderne, Salzburg
Biografie
geboren 1970 in Kirchberg/AT, lebt und arbeitet in Kirchberg/AT
Ausgewählte Einzelausstellungen
2024
Herbert Hinteregger, Zeitkunst Galerie, Kitzbühel
Herbert Hinteregger, Galerie Johann Widauer, Innsbruck
2022
How to (Untitled), Georg Kargl Fine Arts, Wien
TODAY (Untitled), kunsthaus meurz, Mürzzuschlag
Herbert Hinteregger and Anna Kolodziejska, Galerie am Polylog, Wörgl
2021
Herbert Hinteregger, Galerie Johann Widauer, Innsbruck
2020
White overpainted view (Show IV. Waldboden, Forest Floor), Zeitkunstgalerie Kitzbühel, Kitzbühel
Silver Paris Drawings (Show III. Waldboden, Forest Floor), Zeitkunstgalerie Kitzbühel, Kitzbühel
Space one painting (Show II. Waldboden, Forest Floor), Zeitkunstgalerie Kitzbühel, Kitzbühel
Galerie Bernhard Knaus Fine Art, Frankfurt-Main
2019
All over over all (Show I. Waldboden, Forest Floor), Zeitkunstgalerie Kitzbühel, Kitzbühel
Untitled (Kunstschnee), Georg Kargl BOX, Wien
Kunstverein Rosenheim
performance by appointment, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2017
Untitled (Flow), Kunstverein Heilbronn, Heilbronn
Untitled (Flow), Galerie im Taxispalais, Innsbruck
2016
Untitled (Value), RLB Atelier, Lienz
Now on Display, Sammlung Ivo Moser, Innsbruck
2014
Franz Graf/Herbert Hinteregger, Halle Otrans, Kitzbühel
2013
Eve-Level of my Art Dealer, Artissima, Torino
Herbert Hinteregger & Michael Sailstorfer, Georg Kargl BOX, Wien
2012
Halle Otrans, Kitzbühel
was, wann, warum, Galeria Antonia Ferrara, Regio Emilia
2010
A sense of disquietude concerning the existing order of things, Koenraad Dedobbeleer and Herbert Hinteregger, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2008
Gasthof Schwarzer Adler, Jochberg
part 2, Galleria Antonio Ferrara, Reggio Emilia
2007
Neue Gemälde, Galerie Bernhard Knaus, Mannheim
Galerie Bernd Kugler (with Lisa Endriss), Innsbruck
2006
all over – store, Georg Kargl permanent, Wien
2005
Private View, Antonio Ferrara, Reggio Emilia
all over, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz
2004
Gegenstände, Kunstraum Innsbruck/Project Space, Innsbruck
Get the picture, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2003
ball-pen-ink, Remise Bludenz, Bludenz (kuratiert von Axel Jablonski)
Secrets and dangers, Galerie Bernhard Knaus, Mannheim
2002
Schwamm drüber, kunsthaus muerz, Mürzzuschlag
Antonio Ferrara, Reggio Emilia
2001
Georg Kargl Fine Arts, Wien
2000
Antonio Ferrara, Reggio Emilia
1999
Georg Kargl Fine Arts, Vienna
Dekoration einer Langeweile, AM&E, Wien
1997
App.Bxl; App.Bxl, Brussel
1995
Repeat, Trabant, Vienna
Triple Stripe Mural, Depot, Wien
1994
10 x 10, Galerie Theuretzbacher, Wien
1993
Wintersaison, Bad Habits, Kirchberg
1992
Kitzbühelerstr. 8, Arena, Kirchberg
Graffiti, Moustache, Kirchberg
Ausgewählte Gruppenausstellungen
2022
Anna Kolodziejska und Herbert Hinteregger, Galerie am POLYGOL, kunst.raum.wörgl, Wörgl
2021
KUNSTBÜHEL, Museum Kitzbühel | Sammlung Alfons Walde, Kitzbühel
2020
Attempt at Rapprochement, Georg Kargl Fine Arts, Wien
Intermezzo II, Galerie Bernd Kugler, Innsbruck
2019
Konkrete Gegenwart, Museum Haus Konstruktiv, Zürich
Auf der Kippe. Eine Konfliktgeschichtedes Tabaks, Tiroler Volkskunstmuseum, Innsbruck
2018
Transformation of Geometry, Collections of Siegfried Grauwinkel, Berlin and Miroslav Velfl, Prague, G HMP Prague City Gallery, Prag
20 Jahre RLB Kunstbrücke, RLB Kunstbrücke, Innsbruck
Sammlung der Raiffeisenbank Kitzbühel – St. Johann, Raiffeisen Haus, Kitzbühel
Kunstankäufe der Stadt Innsbruck 2018, Fördergalerie der Stadt Innsbruck, Innsbruck
PIN.Party, Pinakothek der Moderne, München
CONCENTRATION - a tribute, Gesellschaft für projektive Ästhetik, Georg Kargl, Wien
Recollection, Galeria Poyectos Monclova, Mexico City
20 Jahre, RLB-Kunstbrücke, Innsbruck
La Collection BIC, Le CentQuatre Paris
Reduction, Gesellschaft für projektive Ästhetik, Georg Kargl, Wien
2017
Remastered - Die Kunst der Aneignung, Kunsthalle Krems, Krems
2016
Abstrakt - Spatial, Kunsthalle Krems, Krems
2015
Transparency, Georg Kargl Fine Arts & BOX, Wien
Stadt Kunst Innsbruck, Die Sammlung der Stadt Innsbruck, Alte Stadtsäle, Innsbruck
a likeness has blisters, it has that and teeth, Semperdepot, Vienna
Schneesalon, Georg Kargl BOX, Wien
2014
Bildwelten der Reduktion, RLB Kunstbrücke, Innsbruck
Endoscopia, Galerie Bernd Kugler, Innsbruck
Konkret – Abstrakt, Parlament, Wien
Sammlung RLB, RLB Atelier, Lienz
2013
Siehe was dich sieht, Franz Graf, 21er Haus, Wien
Additive Abstraktion, curated by _Martin Prinzhorn, curated by_vienna 2013, Georg Kargl Fine Arts, Wien
Sammlung Grauwinkel - 30 Jahre Konkrete Kunst (1882-2012), Vasarély Museum, Budapest
2012
Immer Bunter – Aktuelle Malerei aus Österreich, Galerie im Taxispalais, Innsbruck
Nemesims, by Muntean/Rosenblum, Georg Kargl Fine Arts, Wien
Sammlung Sigrid und Franz Wojda, MMKK, Klagenfurt
2011
Nemesims, by Muntean/Rosenblum, Frieze Art Fair, London
Killing the system softly, Galleria Antonio Ferrara, Region Emilia Italy
Darling, you sent me, B19, Wien
2010
Fine Line, Georg Kargl Fine Arts, Wien
Sammlung der RaiffeisenBank Kitzbühel, Oberndorf
Kunstpreis 2010 der RLB Tirol, RLB Kunstbrücke, Innsbruck
2009
31. Österreichischer Graphikwettbewerb 2009, Galerie im Taxispalais, Innsbruck
Alpen-Adria-Galerie, Klagenfurt; Südtiroler Kulturinstitut, Bozen
Fairly Abstract, Galerie Zink, München
THE HOUSE IS ON FIRE, BUT THE SHOW MUST GO ON, Kunstraum Innsbruck, Innsbruck
2008
Vom Schnee, Museum Kitzbühel, Kitzbühel
warum so wenig, Kunstverein, Murau
12 works on paper, Galerie Bernd Kugler, Innsbruck
Ankäufe, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck
2007
...und immer fehlt mir was, und das quält mich, Atelier Färbergasse, Wien
Statement, Bernhard Knaus Fine Art, Frankfurt am Main
White Painting and Curtain, Akademie der Bildenden Künste, Wien
2006
Ca. 1000 m2Tiroler Kunst, ehem. Kaufhaus Tyrol, Innsbruck
Erwin Bohatsch und Student/innen, Investkredit Bank AG, Wien
2005
Nach Rokytník, die Sammlung der EVN, MUMOK Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, Wien
Lines and Traces, Galerie Bernhard Knaus, Mannheim
Good Timing, Georg Kargl Fine Arts, Wien
The Red Thread, Howard House Gallery, Seattle, Educational Alliance Gallery, New York
2004
From Above, Georg Kargl Fine Arts, Wien
Vienna Coffee Table, Galerie Bernhard Knaus, Mannheim
2003
Summer Holidays, Galerie Bernhard Knaus, Mannheim
Außer Atem. Fokus österreichische Malerei, Nassauischer Kunstverein, Wiesbaden
Re-Production 2, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2002
Collector’s Choice – Sammlung Ploil, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz
Variable Stücke, Galerie im Taxispalais, Innsbruck
Blobs, wiggles and dots…, The Work Space, New York
steirischer herbst 2002, steirischer herbst, Graz
2001
Pittura austriae I/III, Kunstforum beim Rathaus, Hallein
Zusammenhänge im Biotop Kunst, kunsthaus muerz, Mürzzuschlag
steirischer herbst 2001, steirischer herbst, Graz
2000
Sommer Contemporary Art, Tel Aviv
New Austrian Spotlight, Universität Marmara, Istanbul
Focus on…, Venetia Kapernekas Fine Arts, New York
1999
Weg aus dem Bild, Georg Kargl Fine Arts, Wien
Prepared, Georg Kargl Fine Arts, Wien
1998
Malerei, Galerie Mezzanin, Wien
Notas al Margen, Corp Balmaceda 1215, Santiago de Chile
1997
Bücherraum (Franz Graf), kunsthaus muerz, Mürzzuschlag
Träbanta, Trabant, Wien
Anfrage
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