Ina Weber
Desperanto
Dinge so anzusehen, als sähe man sie zum ersten Mal, ist eine Methode, bisher unbekannte Aspekte an ihnen zu entdecken. Das zugrunde liegende Prinzip erfordert, mit bestimmten Dingen verknüpfte Gewohnheiten und Erfahrungen zu vergessen. Da es aber - wie Vilém Flusser weiß - einfacher ist, zu lernen als zu vergessen, gelingt die Anwendung der Methode meist nur unvollständig. Dass sie dennoch oder besser gerade deshalb Überraschendes wahrnehmen lässt, zeigen die Zeichnungen und Skulpturen der Berliner Künstlerin Ina Weber, die heuer in der Galerie Georg Kargl zum ersten Mal in Wien gezeigt werden.
Die meisten Arbeiten Ina Webers beginnen als Reisefoto. Dabei gilt die Aufmerksamkeit der Künstlerin nicht dem ästhetisch besonders Begeisternden, sondern eher dem Alltäglichen, sich so oder so ähnlich vieler Ortens Wiederholenden. Einzelne Motive aus einer Vielzahl fotografischer Szenen werden dann durch den Filter der Zeichnung geschickt und endlich als Skulptur wieder in den Raum eingefügt. Sie lösen sich dabei aus ihrem Umfeld und beginnen eine neue, zwischen Abbild, Entwurf und rein Imaginären changierende Existenz.
Der schwer einzuordnende Maßstab ihrer Architekturen, die selbst für Kinder nicht wirklich benutzbar und für Modelle zu groß sind, gewinnt im Ausstellungsraum eine suggestive Monumentalität. Sogar keinerlei ,Original’ nachbildende Skulpturen, wie das Hochhaus(2005) mit seiner ‚realistischen’ Oberfläche und der trügerischen Ausstattung, können unserem inneren Auge für einen kurzen Moment große Vertrautheit suggerieren. An Hochhaus und der ebenfalls gezeigten Arbeit Bad (2003) erlebt der Betrachter exemplarisch wie sich Alltägliches und daher scheinbar Bekanntes mit individueller Erinnerung zu einer subjektiven Melange vermischen, so dass die Bilder im Kopf jedes einzelnen immer genauso viel mit dessen persönlicher Vergangenheit wie mit der gegenwärtigen Wahrnehmung zu tun haben. Offensichtlich ganz anderer Natur ist die zentrale Installation Trümmerbahnen. Zugleich Skulptur und benutzbarer Minigolfparcours mit 12 Löchern und Kiosk, knüpfen seine Architekturmodelle, die als Hindernisse fungieren, an die europäische Gartenbaugeschichte mit ihren Folies und pittoresken Staffagebauten an. Ina Weber hat diese Arbeit ursprünglich für den Braunschweig Parcours 2004 konzipiert und sich daher an der untergegangenen Architektur der einstmals prächtigen Residenzstadt orientiert. Die für die 50er und 60er Jahre typische Form einer Minigolfanlage hat sie gewählt, weil in diese Jahre die Wiedergeburt Braunschweigs aus den Trümmern seiner Altstadt als autogerechte Einkaufszone fiel, der schlussendlich sogar die Ruine des Stadtschlosses weichen musste.
Wer jetzt allerdings annimmt, dass es Ina Weber darum geht, die gescheiterten Utopien des letzten Jahrhunderts oder die Unwirtlichkeit unserer Städte bloß zu stellen, hat kein Auge für den Humor ihrer Arbeiten. Besonders in den Zeichnungen schlägt sich ihre nüchterne, im Kern jedoch heitere Weltsicht im Festhalten des Schrägen, in der Überlieferung des Stillosen nieder. Diese Ansichten addieren sich zu einem Kaleidoskop des Möglichen, aus dessen Widersprüchlichkeit heraus sich die Künstlerin orientiert.
Susanne Prinz
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