curated by Gregor Jansen
Kriwet
Vortrag: Bazon Brock, 19/09/2017 18 Uhr
Das Bild ist nicht der Text ist nicht der Stein
Zur Ästhetik der Transformation und der Transsubstantion
Ferdinand Kriwet veröffentlichte mit 18 Jahren Rotor, einen Roman ohne Handlung, einen Text in Buchform, ohne Mittelwege, ohne Anfang und Ende, eine reine sprachliche Verkettung kausaler Optionen. Er schreibt sich zwischen 1957 und 1960, in einer Mischform zwischen Buch und Album ein Bedürfnis und eine Seele aus dem Körper, die, wenn als pubertär zu bezeichnen, enorm stilsicher, und wenn als frühreif erklärbar, enorm altersklug erscheint. was danach geschah war eine Loslösung von einem (laut) lesbaren text zu neuen Strukturen von text und Sprache als Seherfahrung, ein Siegeszug der medientheoretischen Gedanken und Schriften mit der parallelen Entwicklung der medienpraktischen Kunst.
Zwischen dem Studio für elektronische Musik des WDR in Köln und der Kunstakademie Düsseldorf, war gerade das Rheinland, dieser Schmelztiegel von Künstlern, Professoren, Galeristen, Verlegern, Kunstkritikern, Werbern und Ausstellungsmachern, für Kriwet der Nabel der Kunstwelt. er produzierte neben gesampelten Hörtexten aus Radiosprechtexten, Sendegeräuschen und Rauschen erste Sehtexte, in denen er die gewohnte optische Erscheinungsweise von Text verarbeitete, zum Beispiel eine große Leinwand mit zerhacktem BEAT und einem Emblemhaften US darunter – 1964 entstanden und dem russischen Konstruktivismus entlehnt. Ebenso faszinierend sind zehn kreisrunde Textbilder, die Kriwet 1961 mit Bleisatzbuchstaben verfertigt. Zwischen Lesefreude und Lesefrust liegt das Entziffern dieser neuartigen Optischen und Konkreten Poesie, sodass er 1965 eine umfassende Anleitung zum Lesen dieser Rundscheiben veröffentlichte: Sehtextkommentare. Die Buchstabenbilder erzeugen eher einen multiplen „Klang“, der sich aus ihrer semiotischen Manie füttert. Neben Mallarmé und Benjamin zeigt sich ebenso der Einfluss der amerikanischen Beat Generation. Insbesondere Apollo, Amerika zur Mondlandung 1969 scheint den Prinzipien der von Burroughs und Gysin entwickelten Cut-Up-Technik zu folgen, wo sich Text-, Zeitungsfragmente und Bildmaterial zur Buchform fügen. Auf einem ähnlichen Prinzip fußt Campaign (1972): drei Schallplatten mit Tonmaterial vom amerikanischen Wahlkampf zwischen McGovern und Nixon. In der BRD startete 1954 das erste Programm der ARD, 1963 folgte das ZDF und Mitte bis Ende der 1960er Jahre nahmen die regionalen Dritten ihren Betrieb auf. Hier fand Kriwet ein neues faszinierendes Betätigungsfeld, denn nicht nur Buch, Bühne, Ausstellungsraum, Architektur, Radio oder Theater, auch der Fernsehapparat wurde von ihm medial erweitert und dank revolutionärer Beiträge amerikanischer Bildwelten bespielt. Wir sind bei Mixed Media angelangt, die konsequente Entwicklung von frühen Texten und Poem Paintings, Buttons, Text-Segeln und Text-Kuben über Seh- oder Super-Seh-Texte bis zu den Neon-Texten 1976. Das lineare Lesen wurde durch ein punktuelles abgelöst, durch ein dezidiertes Sehen.+
Kriwet ist gleichermaßen praktischer Semiotiker wie medialer Praktiker. Die Konkrete Kunst zur Pop art und letztlich zur Medienkunst ist bei ihm fortentwickelt, die, obwohl sie permanent ein Reflex der ausser-künstlerischen Oberflächen und Handlungsräume ist, mehr oder weniger unpolitisch und in gewisser Weise eben unkünstlerisch bleibt – jedenfalls aus der Sicht ihres Urhebers.
Gregor Jansen (*1965) ist Kunstwissenschaftler, Kurator, Dozent, Kunstkritiker und Publizist. Seit 2010 leitet er die Kunsthalle Düsseldorf.
BAZON BROCK
Das Bild ist nicht der Text ist nicht der Stein - Zur Ästhetik der Transformation und der Transsubstantion
19/09/2017
Vortrag am Di. 19. September 2017, 18 Uhr
Zu den Strategien der nichtidentischen Übertragung gehört die Zerstörung. Claes Oldenburg übertrug den keramische Handwaschbecken in eine informelle Sackskulptur. Luther übertrug die Volkssprache in die theologische Begrifflichkeit. Die Journalisten übertragen die tödlichen Katastrophen in eine 10-Zeilen-Meldung. Gemeint ist in allen Fällen das Verhältnis vom Denken zum Sprechen in Worten oder Gestendynamik oder in gestalterischer Zeichengebung. Auf die natürliche Not des Unaussprechlichen und Undenkbaren reagieren schwache Charaktere mit Aphasien und Logoklasmus. Produktive Künstler und Denker gehen anders vor, in das offenliegende Geheimnis der Transsubstantiation. Das will uns Bazon Brock zeigen.
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