Koenraad Dedobbeleer
Bad Timing
Anlässlich der ersten Ausstellung in der kürzlich eröffneten GEORG KARGL BOX verwandelt der 30jährige Belgier Koenraad Dedobbeleer die neue Galerie in eine raumfüllende Installation. In seiner Konstruktion vollzieht er sensible Veränderungen des Innenraums, die die bestehenden Wahrnehmungsgewohnheiten des Besuchers durch bewusst und präzis gesetzte architektonische Eingriffe und Ergänzungen stört. Ihre Spannung erfährt sie durch die aktive Einbeziehung des Betrachters, durch das Aufbrechen von eindeutigen Zuordnungen und Sicherheiten von Realität und Täuschung, die die individuelle Auseinandersetzung mit Dedobbeleers Objekten im spezifischen Kontext des ihn umgebenden Raums stets neu erleben lassen.
Koenraad Dedobbeleers Installation, deren Titel auf das gleichnamige Album Jim O'Rourkes und seine Bezugnahme auf Nicolas Roegs 1980 erschienenen Film „Bad Timing“ anspielt, ist eine vielschichtige Referenz an Kunst- und Kulturgeschichte. Ein Ausgangspunkt seiner Überlegungen bildet eine Fotografie der amerikanischen Konzeptkünstlerin Louise Lawler. In dieser fotografischen Vorlage dokumentiert und analysiert sie das Umfeld und die Präsentationsweise eines kinetischen Objektes von George Rickey in einem Sales Room des Auktionshauses Sothebys und richtet ihren Blick auf soziale, ästhetische und ökonomische Aspekte institutioneller Rahmenbedingungen. In der künstlerischen Strategie der Aneignung fremder künstlerischer Positionen mit Lawlers Herangehensweise vergleichbar, löst Dedobbeleer gleichsam Schaustellungswand, Podest und Rickeys Skulptur aus ihrer fotografischen Vorlage und rückübersetzt diese wieder in die Realität des ökonomisch-institutionellen Rahmens der Galerie. Durch die „Transformation der Transformation“ berührt seine Installation damit auch Fragestellungen um die Autonomie des Kunstwerkes in Abhängigkeit von sozialem, ökonomischem und thematischem Kontext.
Wie ein Hindernis stellt sich dem Besucher zunächst die mit Teppich überzogene Wand in den Weg, die das direkte Durchschreiten der 40qm großen Galerie erschwert und in bewusst inszenierte Bahnen lenkt. Sie definiert dadurch einen gleichsam privaten Raum für den 4 Meter hohen Nachbau der Rickey Skulptur und eine auf einem Podest präsentierte Fotografie. Im Begehen der Installation dringt der Besucher gleichsam in eine geschaffene Intimsphäre ein, die sein Bewusstsein für das vielschichtige Verhältnis von Objekt, Subjekt und Darstellung schärft. Scheinbar alltägliche Gegenstände der gängigen Ausstellungspraxis werden von ihrem herkömmlichen Gebrauchswert befreit und erfahren durch ihre Kontextualisierung eine Neu- und Umbewertung. Dedobbeleers Objekte bewegen sich zwischen Skulptur und Gebrauchsgegenstand, stehen einerseits für sich selbst wie sie sich anderseits für die Dauer der individuellen Konstellation in ihrer jeweils eigenen Funktion als an sich „funktionsloses“ Kunstwerk und funktionstüchtig erscheinenden Alltagsgegenstand gegenseitig bezeichnen. Sie besetzen und markieren den neu geschaffenen Raum und machen ihn als einen sich ständig verändernden Handlungsspielraum erfahrbar, der bestehenden Bezugssystemen und gewohnten Wahrnehmungsmustern zuwiderläuft.
Im architektonisch wie in seiner Funktion festgeschriebenen Rahmen der GEORG KARGL BOX erscheinen Dedobbeleers Objekte bewusst unbestimmt und entziehen sich auch der präzisen Verortung in einem zeitlichen Bezugssystem. Während der Dauer der Ausstellung wirken sie wie vergessene Relikte einer Galerie, die ihren Betrieb eingestellt statt soeben aufgenommen hat, ohne zugleich Spuren des Gebrauchs aufzuweisen. Sie zeichnen sich durch eine schlichte, zeitlose Formensprache aus und erscheinen täuschend massiv, um die an sie gestellte Erwartungshaltung durch den bewussten Mangel in der Ausführungsqualität sogleich zu enttäuschen und sich auch in Opposition zum bis ins Detail handwerklich perfekten Portal Richard Artschwagers zu stellen.
Dedobbeleers Installation Bad Timing in der GEORG KARGL BOX erfährt seine Erweiterung durch zwei „hidden sculptures“ in der zeitgleich laufenden Ausstellung Good Timing. Der Zusammenhang artikuliert sich nicht primär durch eine offene physische Präsenz, vielmehr fordern sie den Besucher dazu auf, über den physischen Erfahrungsparcours geistige Bezugspunkte zu schaffen.
Text: Fiona Liewehr
Biografie
geboren 1975 in Halle/BE, lebt und arbeitet in Brüssel
Ausgewählte Einzelausstellungen
2019
Sache: Gallery of Material Culture, Kunstverein Hannover, Hannover
miart Milano 2019, Mailand
Plastik- Gallery of Material Culture, Kunstmuseum Winterthur, Winterthur
Performance by appointment, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2018
Kunststoff- Gallery of Material Cuture, Kustmuseum Wiels, Brüssel
2017
Images Entertain Thought, Mai 36 Galerie, Zürich
2016
Catch as A Catch Can, CLEARING, New York
A Formal Model / An Inhibition Show, Galerie Micheline Szwajcer, Brüssel
2015
(SIC), Brüssel
There Is No Real Life, Only The Story Of The Life We Are Currently Living, Projecte SD, Barcelona
2014
A Useless Labour, Apolitical and of Little Moral Significance, CLEARING, New York
A quarrel in a faraway country between people of whom we know nothing, GAK, Gesellschaft für aktuelle Kunst, Bremen
The Desperate, Furiously Positive Striving of People Who Refuse to Be Dismissed, Extra City Kunsthal, Antwerpen
Cherry & Martin (with Sebastian Black), Los Angeles
Up! (with Kris Kimpe), La Loge, Brüssel
2013
Hearsay, Rumours, Bed-Sit Dreamers and Art Begins Today, Galerie Micheline Szwajcer, Antwerpen
You Export Reality to Where It Is You Get Your Money From, De Vleeshal, Markt, Middleburg
Workmanship of Certainty, Centre d'art contemporain d'Ivry - le Crédac, Ivry-Sur-Seine
2012
Naive Monoliths, RECEPTION, Berlin
Kunstmuseum St. Gallen, Lokremise, St. Gallen
Some Material Culture Following a Random Method Based on Aleatory Rules, Mai36, Zürich
2011
Good plans are made by hand, Projectesd, Barcelona
To Fallow, Clearing, New York (mit Robert Janitz)
2010
A sense of disquietude concerning the existing order of things, Koenraad Dedobbeleer und Herbert Hinteregger, Georg Kargl Fine Arts, Wien
Ignorance never settles a question, Galerie Micheline Szwajcer, Antwerpen
A Privilege of Autovalorization, Galerie 1 – Fundacaco Caixa Geral de Depósitos - Cultergest, Lissabon
Theory was Always Against Ideology, Reception, Berlin
2009
Know What We Are Knowing, Galeria Carreras Múgica, Bilbao
Museen Haus Lange-Haus Esters, Krefeld
Museum of Modern Art, Oostende (mit Rita McBride)
2008
Deflationary Exercise, Galerie Micheline Szwajcer, Antwerpen
Remember to Remember, Mai 36 Galerie, Zürich
Tight, Repeating Boredom, Frac Bourgogne, Dijon (mit Rita McBride)
I Don´t Care If Nothing Goes My Way, Museum X (Museum Abteiberg) Mönchengladbach
Repeating Boredom, FRAC Bourgogne, Dijon
Sideline Sitters, Künstlerhaus Bethanien, Berlin
2007
La liberté d'erreur, Galerie Micheline Szwajcer, Antwerpen
2006
Le souhait de disposer, Kiosk KASK, Ghent
Contextual Minimalism I, Benedengalerij, Kortrijk
Throw That Trust On The Fire, Konsortium, Düsseldorf (mit Steve Vanden Bossche)
2005
Bad Timing, Georg Kargl BOX, Wien
Raymond Vanderzande, Netwerk Galerie, Aalst (mit Kristof Van Gestel)
Remember the Small Things, CC Strombeek, Grimbergen (mit Anne Daems)
2004
Dedobbeleer en Zoon, Artis, 's-Hertogenbosch
2003
Passover, 5er Projectspace, Rotterdam
Shallow, Young Gallery Zone – Art Cologne, Köln
2002
So Far, Galerie Drantmann, Brüssel
Fiction Tales, Galerie Michael Zink, München
Collaborative Project, Rijksacademie, Amsterdam (mit Els Vanden Meersch)
2001
Parcours d’Incidents, de Ateliers, Amsterdam
Pluses and Minuses, Artists Unlimited, Bielefeld
2000
You are never going Anywhere, Galerie Drantmann, Brüssel
Hans Op De Beeck and Koenraad Dedobbeleer, De Warande, Turnhout
1999
Etablissement d’en Face, Brüssel
Ausgewählte Gruppenausstellungen
2020
Small is beautiful: (A)rtschwager to (Z)augg, Mai 36 Galerie, Zürich
2017
Gruppenausstellung, Mai 36 Galerie, Zürich
Copy Construct, Cultuurcentrum Mechelen, Mechelen
2016
Referenz. Im Kontext Mies van der Rohe, Neuer Aachener Kunstverein, Aachen
Ficciones y territorios, Arte para pensar la nueva razón del mundo, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, Madrid
Solid Liquids. Internationale Tendenzen der Skulptur in der Gegenwartskunst, Kunsthalle Münster, Münster
Naturally Obscure, Centre d'Art Passeralle, Brest
Les Possédés, La Friche Belle de Mai, Marseille
Two-Story, CLEARING, Brüssel
Everything Architecture, Office Kersten Geers David Van Severen, Brüssel
2015
Display Show, Eastside Projects, Birmingham
Mortel, suite et fin, FRAC, Basse-Normandie, Caen
Eminent Domains (proper names), Robert Miller Gallery, New York
The Corner Show, Extra City Kunsthal, Antwerpen
Sweet Disposition, Cultuurcentrum Ter Dilft, Bornem
Pierre Leguillon, The Museum of Mistakes: Contemporary Art and Class Struggle, Wiels, Brüssel
A Studio in Hand-Reading: Charlotte Wolff. A project by Valentina Desideri, Kunstverein, Amsterdam
The Image of Generator, Extra City, Antwerpen
2014
Roma Publications 1998-2014, Fondazione Giuliani, Rom
A Pair is Not a Collection, LLS 387, Antwerpen
Small Museum for the American Metaphor, Redcat, Los Angeles
Maybe It's a Hum, Atelier Rouart, Paris
Der Brancusi Effekt, Kunsthalle Wien, Wien
Widening, Carreras Mugica, Bilbao
Fata Morgana, IKOP, Museum für Zeitgenössische Kunst, Eupen
2011
Archizines, AA school of architecture, London
The Self-portrait, the House and the Season, Mu.ZEE, Ostend (Co-Curator)
Found in Translation, Casino Luxembourg, Luxemburg
Beyond the Fragile Geometry of Sculpture, De Vleeshal Markt, Middelburg
2010
Tegenlicht, SMAK, Ghent
Rehabilitation, Wiels, Brüssel
Galerie Micheline Szwajcer, Antwerpen
Wall & Floor, Galerie Almine Rech, Paris
2009
Avec Le Tems – In Time, Robert Miller Gallery, New York
Jeugdzonde. Over opus één en opus min één, Hedah, Maastricht
3 Artists Selected by Dan Graham and work by Dan Graham, 303 Gallery, New York City
Merz in Februar, emyt, Berlin
2008
Un-Scene, Wiels, Brüssel
Integratie, Intégration, Nieuw(bouw)kunst, Broelmuseum, Kortrijk
Group exhibition curated by Susanne Prine, Emyt, Berlin
2007
Mood Swings, Galerie Micheline Szwajcer, Antwerpen
the subjective object, Galerie Conrads, Düsseldorf
Proposals, Kunstencentrum Netwerk, Aalst
Jeune Peinture Belge, Palais des Beaux Arts, Brüssel
Early Retirement, Mai 36 Galerie, Zürich
2006
ERGENS (Somewhere), MuHKA - Museum voor Hedendaagse Kunst Antwerpen, Antwerpen
Independex – BB 4, Ausstellungsraum Restitution, Berlin
Anspach, Anspach Center, Brüssel
2005
Le genie du lieu, Musée des Beaux Arts, Dijon
Time to close, Galerie Drantmann, Brüssel
Soundscape, STUK, Leuven
La perspective du cavalier, CAC Parc Saint Léger, Pouges-les-Eaux
Photography within/as an Installation, Stella Lohaus Gallery, Antwerpen
Lichtkunst aus Kunstlicht, Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Museum für Neue Kunst, Karlsruhe
2004
Multiple Miscellaneous Alliances, Clubsproject Inc., Melbourne
Dedobbeleer, Sailstorfer and Wissel, Zink & Gegner, München
Pistes, Netwerk Galerie, Aalst
Alles was bij voorbaat al begonnen, Factor 44, Antwerpen
2003
The Sublime was Yesterday, RUG, Ghent
Bestuifbegeerte, Z33, Hasselt
Once Upon a Time..., MuHKA, Antwerpen
Screening, Etablissement d´en France, Brüssel
New, Netwerk Galerie, Aalst
2002
Early Works, de Ateliers, Amsterdam
As If, Octopus–Brugge, Bruges
De Kelder op de Vliering, W139, Amsterdam
La salle de cinema, Centre d´Art Contemporain „La Passerelle“, Brest
Diazonali, Pacos das Artes, Sao Paulo
2001
Interferenties, de Overslag, Eindhoven
Pentagon, STUK, Leuven
Parcours d´incidents, De Ateliers, Amsterdam
Flat Space, Witte Zaal, Ghent
2000
Part II, CC Strombeek, Brüssel
Diasporical Thoughts, TACK Toren, Kortrijk
CC/NICC, Place Fontainas, Brüssel
1999
Trouble Spot Painting, Museum voor Hedendaagse Kunst, Antwerpen
Folle, Studio Ercolani, Bologna
Bouillion, HISK, Antwerpen
1998
Ik was vier in 75, Nicc, Antwerpen
Anfrage
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