Collier Schorr
Interessant ist, dass die „Zerstörung der Lust“ manchmal im Zusammenhang mit den Anfängen des Feminismus erwähnt wird. Ich habe niemals gedacht, dass die Frauenbewegungen der 70er Jahre Lust abgelehnt hätten – die Frauen wollten Lust eher ausleben. Das ist natürlich die Sichtweise einer Frau, die mit den Ms.-Zeitschriften der Mutter aufgewachsen ist. […] Für mich war der Feminismus oft das Nebenprodukt einer heterosexuellen Verfasstheit. So angeregt ich durch den Postfeminismus und die französische Theorie der späten 80er und frühen 90er Jahre war, wie sie beispielsweise auf die Arbeiten von Barbara Kruger und Laurie Simmons angewendet wurden, so waren diese Argumente doch immer noch in einen Dialog mit Männern eingebettet. Zu diesem Zeitpunkt begann man, das Schisma zwischen den Zielen eines homogeneren Feminismus einerseits und den Ideologien der Queer Theory andererseits zu sehen. Letztere konnte ja in der Tat wohl kaum als Verherrlichung des Weiblichen gesehen werden, erlaubte sie doch, das eigene Geschlechtermodell bloß durch die Grammatik ändern zu können. (Zum Beispiel: Sieht sich eine Frau als Mann, so nennt sie sich auch Mann, oder Er). Die Queer Theory strebt geradewegs das männliche Privileg an. […]
Das Gesamtwerk Cindy Shermans, die ich immer bewundert habe, zeigt die Gefahr einer jeden Scharfsichtigkeit. […] Ihr Werk funktioniert, weil es die Illustrationskraft behält und zugleich der Verherrlichung jedes weiblichen Stereotyps dient. Die Standbildfotografie ist ja in der Tat das problematischste aller Medien, weil sie eine ewig währende Pause darstellt – und so kann man bei dieser Art Fotografie oft, um Stevie Smith zu zitieren, keinen Unterschied zwischen einem Winkenden und einem Ertrinkenden erkennen.
Mehrdeutigkeit ist ein Luxus. Bei jeder Arbeit, die ich mache, bin ich mir bewusst, dass mein Feminismus schwer zu erkennen sein wird. Das hat mich eine Zeit lang gestört – diese Idee, dass ich Arbeiten machen könnte, die das Weibliche zu verleugnen scheinen. Ich kann auch nicht sagen, dass ich das überwunden hätte; vielleicht entdecke ich ja einmal wie Kara Walker, dass ich in einer Krisenfantasie schwelge. In dieser Hinsicht habe ich viel über die Arbeit von Richard Prince nachgedacht, die die Krise der Männlichkeit mit der Krise der Weiblichkeit in Zusammenhang bringt. Eine Zeit lang habe ich sein Spiritual America (1983) in der Wohnung hängen gehabt, ein Porträt der vorpubertären Brooke Shields: Diese Arbeit funktioniert als kritischer Kommentar sowohl auf die Repräsentation von Weiblichkeit in der Fotografie als auch auf das Aussehen und die Form von Begehren. Das überraschende Geheimnis dieses Fotos ist, dass es durch Aneignung allein seine Existenzberechtigung erhält. Man könnte das Bild anders als ursprünglich betrachten – nicht als pornografisches Bild eines Kindes, das mit der zwielichtigen Erlaubnis der Mutter gemacht wurde, sondern als Kritik. Eine wichtige Facette, um dieses Bild zu verstehen, war für mich, dass man die Idee des männlichen Begehrens, vermittelt über den historischen Feminismus und den Postfeminismus der 80er Jahre, sehen konnte. Angesichts dieser wirklich verstörenden Hochglanzfotografie konnte ich meinen eigenen Blick des Begehrens untersuchen. Ist er anders als der von Prince, weil ich eine andere Geschlechtsauffassung von mir habe, oder ist er gleich, weil wir beide Frauen anziehend finden?
Collier Schorr, in: Artforum, Oktober 2003, S.145
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