Inés Lombardi
an approximation
Wasserstraße statt Datenhighway
Die bildliche Darstellung von Bewegung ist seit ihren Anfängen eines der großen Themen der Moderne. Speziell jene Metaphern, die der Futurismus und andere Richtungen dafür entwickelt haben, haben sich in einem gewissen Sinn in der gesamten Kultur äußerst erfolgreich durchgesetzt. Ein Konglomerat aus idealisierter Technik, abstrakter Form und repräsentierter Richtung ist zu einem Code der Zeit geworden, der es sogar schafft, eigentlich unvorstellbare Dinge wie das Reisen mit Lichtgeschwindigkeit oder den elektronischen Transport unermesslich großer Datenmengen problemlos darzustellen. Aber gerade, wenn man sich die stumpf immer und immer wieder auf uns niedergehende Darstellung des Internet als ‘Datenhighway’ mit ihren schnellen, aber im Vergleich zur Realität doch eher stillstehenden und abrupt die Richtung wechselnden Kamerafahrten vor Augen hält, dann merkt man, dass hier etwas, das ursprünglich aus dem Geist einer aufklärerischen Avantgarde entwickelt wurde, inzwischen zu einer leeren und illusionistischen Symbolik verkommen ist.
Die neuen Arbeiten von Inés Lombardi handeln auch von Bewegung und sie eröffnen sozusagen wieder eine Grundsatzdiskussion zu diesem Thema. Entstanden sind sie während einer längeren Reise zwischen Rheinmündung und Donaudelta, auf jener Wasserstraße, die noch vor einigen Jahrzehnten große Utopien eines europäischen Wirtschaftsraumes bedeutete, inzwischen aber wohl eher als etwas Vergangenes, einer veralteten Idee von Wirtschaft und Industrie Zugehöriges wahrgenommen wird. Inés Lombardi hat Videofilme gedreht, die in einer fast zaghaften Langsamkeit das Geschehen auf dem Fluss aber gleichzeitig auch immer das Geschehen des Fließens als etwas ohne Anfangs- und Endpunkt zeigen. Allmähliche Veränderungen, kaum wahrnehmbare Unterschiede erlauben es nicht, beim Betrachten der Bilder gleichsam vor Anker zu gehen, bzw. überhaupt einen Blick von Außen auf die Bilder werfen zu können. Die Fahrt ist gleichzeitig eine Fahrt durch Europa mit all seinen realen und imaginierten Grenzen, vom reichen Norden bis an die Grenzen des ausgeschlossenen ‘Balkans’ an den Hindernissen wie die durch NATO Bomben zerstörten Brücken vorbei. Die sichtbar eingefangene Welt ist keine dokumentarische Reise durch Kulturen, die Arbeiten vermitteln Eindrücke permanenter Zwischenräume und eines nie enden wollenden Fließens.
Die Verhältnisse können nur sehr indirekt, etwa an der Dichte des Schiffsverkehrs abgelesen werden. Die Installation ist in verschiedenen Stationen auf 4 Bildschirmen angeordnet, die für sich wiederum fast statisch wirkende Bilder wie den Blick auf das Wasser oder die Nacht zeigen.
Die entstandenen Fotoarbeiten in mehrteiligen Rahmen, die in ihrer Anordnung aber nicht als Filmstills wirken, sondern längere, in sich stimmige Momente repräsentieren. Durch die Behutsamkeit und Langsamkeit mit der die Künstlerin arbeitet, entstehen so Spannungen aus Nähe, Ferne oder Perspektive. Gleichzeitig kommt aber auch an vielen Stellen etwa durch die Breite des Flusses oder durch die Einsamkeit ein Gefühl der Verlorenheit auf, das die Bewegung noch zäher und unwirklicher erscheinen lässt. Gerade durch die reduzierte Herangehensweise wird die Fortbewegung in ihrer Komplexität wieder fassbar, wird klar, dass sie nicht automatisch Ziel bedeuten muss und dass sie noch viel mehr als den Blick nach Vorne und den Blick zurück zulässt. Obwohl Inés Lombardi auch sehr bewusst mit den technischen Medien umgeht und sie nicht einfach zur Konstruktion von tafelbildartigen Gebilden verwendet, setzt sie diese nicht einfach zum Ausloten ihrer Möglichkeiten ein, sondern versucht, sie durch Beschränkung explizit zu machen. Die Bilder geben an ihrer Oberfläche nicht vor, Wirklichkeiten zu transportieren, erst in ihrer Anordnung und permanenten und doch so schwer sichtbaren Veränderung lassen sie erahnen, wo diese Wirklichkeiten liegen könnten. Irgendwo zwischen ihrem (Über)fluss und ihrer reduzierten Leere.
Martin Prinzhorn
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