John Waters
John Waters, den William Burroughs einst als den „Papst des Trash“ bezeichnete, hat sich in den letzten Jahrzehnten als Regisseur provokanter Filme einen umstrittenen, aber dennoch bekannten Namen gemacht. Seine Themen – Sex, Religion und gesellschaftliche Ausgrenzung – werden von der gutbürgerlichen Gesellschaft gerne ignoriert.(1)
Gefragt nach der Entstehung seines ersten „ernsthaften“ Fotos, erinnert sich Waters an eine Anfrage für einen bestimmten Filmstill aus Multiple Maniacs (1970). Und obwohl er sich an Divines Gesicht in diesem Augenblick zwischen Vergewaltigung und jener wunderbaren Intervention, in der dieser der spirituellen Seite seines Namens gerecht wurde,(2) genau erinnerte, gab es kein Foto davon. Also beschloss Waters, den Filmstill selbst zu machen. […] Das Ergebnis – Divine in Ecstasy (1992) – ist rasend witzig und grauenhaft zugleich. […] [Von da an machte er] Standbildserien aus Ausschnitten seiner eigenen Filme und – bewusster noch – aus Ausschnitten von Filmen anderer, die für jene Storys entscheidend waren, die er sehen, erinnern und sich selbst erzählen wollte.
[…] Waters’ Bilder haben eine merkwürdige Schönheit an sich. Im Gegensatz zu den scharfen Bildern eines 35-mm-Films sind seine Bilder bereits in zwei Runden fotografischer Übertragung verzerrt worden: von Film auf Fernsehen und von Fernsehen auf Schnappschuss. Sie sind grobkörnig und pixeln. Manche sehen aus wie Tapisserien, die aus jenen eleganten Abtaststreifen gewebt sind, die Waters mit seiner Kamera vom Fernseher abliest. Die Einzelbilder – aufgenommen von Videos von Breitwandfilmen, die rücksichtslos abgeschnitten wurden, damit sie ins fast quadratische Fernsehformat passen – erreichen eine verdichtete, edelsteinartige Qualität.
[…] Water’s Verhältnis zur Fotografie, wie sein Verhältnis zum Mainstream-Film, wird hauptsächlich durch seine Außenseiterstellung und seinen typisch schrägen, aber präzisen Blickwinkel bestimmt. Er ist ein respektloser, aber klarsichtiger Eindringling, ein Filmemacher, der die Grenze zu einer neuen Kunstrichtung überschritten hat. Durch das Herausschälen eines Zwischenbereichs für sich selbst, eines Niemandslandes zwischen Film und Fotografie, hat Waters einen neuen Ausdrucksweg entdeckt. Ohne Regeln zu befolgen und ohne Rücksicht auf Loyalitäten oder Zielgruppen nimmt er sich, was er auch immer aus den historischen Arsenalen der Film- und Fototechniken braucht.
(1) Anmerkung der Redaktion
(2) Vgl. John Waters, Director’s Cut, Zürich, New York 1997, S. 28
Marvin Heiferman, „Everything Always Looks Good Through Here! John Waters and Photography“, in: John Waters: Change of Life, New Museum of Contemporary Art, Harry N. Abrams Inc, New York, 2004, S. 20-41.
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