Ketty La Rocca
Ketty La Rocca gehört zu den bedeutendsten VertreterInnen der konzeptuellen Kunst in Italien. Die Arbeit der früh verstorbenen Künstlerin umfasst die visuelle Poesie, die bildende Kunst und die Performance. Die poetische, experimentelle, medienkritische Untersuchung von La Rocca gilt der Sprache, den Bildern und stereotypen Zeichen der Alltagswelt mit dem Ziel, die herrschende Politik der Körper sichtbar zu machen. […]
In den 1970er Jahren entwickelte La Rocca ihre performativen Serien mit Händen. Sie untersucht deren Ausdruckssprache, um sie zugleich in einen Sprachkontext zu setzen, indem sie die Hände mit Wörtern beschriftet und deren Konturen handschriftlich umrandet. Die Beschäftigung mit den Händen entspringt dem Wunsch, eine andere Sprache der Kommunikation zu erschaffen, in der der reale Körper, der gestische Ausdruck und die Schrift in ein eigentümlich montiertes Verhältnis zueinander treten. La Rocca nimmt im Zusammenhang mit diesen Arbeiten explizit Bezug auf den weiblichen Lebenszusammenhang, der den Händen der Frauen nur bestimmte Tätigkeiten zugewiesen hatte. Für die Frauen sei heute keine Zeit der Erklärungen, schreibt sie 1974 aus ihrer feministischen Perspektive, die hätten zu viel zu tun und überdies nur eine Sprache zur Verfügung, die ihnen fremd und feindlich sei. Sie seien von allem beraubt, bis auf die Sachen, die niemand beachte, und das seien viele, auch wenn sie geordnet werden müssten: „Die Hände zum Beispiel, zu langsam für weibliche Fähigkeiten, zu arm und zu unfähig, um das Hamstern fortzusetzen; es ist besser, mit Worten zu sticken …“ (1)
Zu Ketty La Roccas letzten Arbeiten gehören die Riduzioni, in denen sie das alltägliche Foto umarbeitet, sei es ein Familienfoto, eine Installationsansicht einer Galerie, ein Foto, das sie selbst zeigt oder einen Politiker, ein Zeitungsfoto, eine millionenfach verkaufte Kunstpostkarte oder ein Filmplakat. Das Prinzip der Riduzioni besteht darin, das Ausgangsfoto durch eine oder mehrere Variationen seriell zu erweitern. Dies geschieht durch die grafische Schematisierung des Bildes, die nach verschiedenen Mustern erfolgt: Entweder „zeichnet“ die Künstlerin mit ihrer Handschrift die Konturen jener Formen nach, die ihr wichtig erscheinen, oder sie arbeitet durch Linien und schwarz markierte Flächen bestimmte Elemente heraus, die dann ebenso wie die Schrift eine inhaltliche Umdeutung bewirken.
La Rocca negiert die Differenz zwischen Tiefe und Fläche ebenso wie die Hierarchie eines szenischen Ablaufs und versetzt das Bild in einen nervösen Schwebezustand. In den von ihr geschaffenen Zwischenräumen, in den Leerstellen öffnet sie einen poetischen Raum, der auch auf das Alltagsbild übergreift.
(1) Ketty La Rocca (1974); deutsche Übersetzung aus: Katalog Künstlerinnen international. 1877–1977, Schloss Charlottenburg, Berlin 1977, S. 308
Silvia Eiblmayr, “Ketty la Rocca – Künstlerin einer visuellen Poesie,” in: ed. Silvia Eiblmayr, Ketty La Rocca, Innsbruck 2003, o.S.
Biografie
geboren 1938 in La Spezia, gestorben 1976 in Florence
Ausgewählte Einzelausstellungen
2020
Dal momento in cui..., Kunsthalle Fribourg, Fribourg
2019
Appendice per una Supplica, Videoteca GAM, Turin
2018
The Ritual of Gesture, Amanda Wikinson Gallery, London
Gesture, Speech and Word, Gallerie d'Arte Moderna e Contemporanea di Ferrara, Ferrara
MAGMA, Instituto Centrale de la Imagen, Barcelona
2017
Le Mie Parole, La Virreina Centro de la Imagen, Barcelona
2016
Wilkinson Gallery, London
2014
The You has alreday started at the border of my I, Galerie Kadel Wilborn, Düsseldorf
2005
Ketty La Rocca (Works 1964–1976), Galleria Emi Fontana, Mailand
2004
American Academy, Rom
2002
Georg Kargl Fine Arts, Wien
Italian Institute of Culture, Los Angeles
2001
Omaggio a Ketty La Rocca, Palazzo delle Esposizioni, Rome
Museo di Arte Contemporanea e del Novecento, Monsummano Terme, Pistoia
1999
Fondazione Cassa di Risparmio di La Spezia, La Spezia
1998
Esso Gallery, New York
Galerie Kienzle & Gmeiner, Berlin
1995
Künstlerhaus, Stuttgart
1994
Galleria Emi Fontana, Mailand
1992
Centre d'Art Contemporain, Genf
1990
Galleria Matteo Remolino, Turin
1989
Galleria Carini, (retrospective curated by L. Vinca Masini), Florenz
1987
Multimedia (retrospective curated by R. Loda), Brescia
1978
38th Venice Biennale (retrospective curated by L. Carluccio), Venedig
1977
Galleria Corsini (retrospective curated by A. Altamira), Intra
1976
Galleria Schema, Florenz
1975
You You, Università di Architettura, Florence, Galleria La Tartaruga, Rom
1974
Galleria Diagramma, Mailand
1973
Galleria Christian Stein, Turin
1972
Galleria Seconda Scala, Rom
1971
Accumulazioni (Accumulations), Galleria Flori, Florenz
Galleria San Fedele, Mailand
1970
Galleria Duemila, Bologna
Ausgewählte Gruppenausstellungen
2020
Print, Print, Print, Museum Ostwall im Dortmunder-U, Dortmund
2018
Dialogue, Gesellschaft für projektive Ästhetik, Georg Kargl, Wien
Reduction, Gesellschaft für projektive Ästhetik, Georg Kargl, Wien
2017
WOMAN. Feministische Avantgarde der 1970er-Jahre aus der Sammlung Verbund, mumok, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Wien
Mehr als nur Worte [Über das Poetische], Kunsthalle Wien Museumsquartier, Wien
Oltreprima. La fotografia dipinta nell'arte contemporanea, Fondazione del Monte di Bologna e Ravenna, Bologna
Iconoclash / Il conflitto delle Immagini, Museo di Castelvecchio, Verona
Gruppenausstellung, invented by Karin Guenther, Galerie Karin Guenther, Hamburg
Gruppenausstellung, invented by Karin Guenther, Galerie Kadel Willborn, Düsseldorf
Body to Body, Galleria Nazionale d’Arte Moderna e Contemporanea, Rom
Sammlung Kienzle, Kunstmuseum Lichtenstein, Vaduz
2016
Lo specchio concavo, BACO, Base Arte Contemporanea Odierna, Bergamo
Eva Kot'atkova & Ketty La Rocca, Museen Haus Lange, Haus Esters, Krefeld
L'Inarchiviabile/The Unarchivable, FM Centro per l'Arte Contemporanea, Mailand
Ich, Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main
2015
Women and Performance, Richard Saltoun, London
Nach dem frühen Tod, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, Baden-Baden
Nice to See You! 160 Works from the Collection, Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz
2014
Woman, The Feminist Avantgarde der 1970er Jahre. Werke aus der Sammlung Verbund, Hamburger Kunsthalle, Hamburg
Texte in der Kunst, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2013
Florenz!, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn
Andata e ricordo/ Souvenir de Voyage, MART, Museo d'Arte Moderna e Contemporanea di Trento e Rovereto, Rovereto
2011
Passwords 11. Spaces of the Self - Feminitiy in Italian video, Centro Cultural Montehermoso, Vitoria-Gasteiz
Fine Line, Georg Kargl Fine Arts & Georg Kargl BOX, Wien
2004
Beredte Hände – Die Bedeutung von Gesten in der Kunst vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Residenzgalerie Salzburg, Salzburg
2003
Galerie im Taxispalais, Innsbruck
1998
Disidentico, Maschile, Femminile e altro, Palazzo Branciforte, Palermo
La Coscienza Luccicante, Palazzo delle Esposizioni, Rom
1996
Modèles Corrigés, Collège Marcel Duchamp, Chateauroux
1995
Auf den Leib geschrieben, Kunsthalle Wien, Wien
1994
L’Espace de l’Ecriture, Italian Institute of Culture, Paris
1986
L’ideogramma universale, Galleria Il Segno, Turin
1979
From Page to Space, Columbia University, New York
1978
Materializzazione del Linguaggio, 38th La Biennale di Venezia, Venedig
1977
Poesia Visiva 5: verso un concetto globale, Studio Santandrea, Mailand
Le forme della scrittura, Galleria d’Arte Moderna, Bologna
1976
Magma, Museo Castelvecchio, Verona, Palazzo dei Diamanti, Ferrara
Fotomedia, Helsinki Museum, Helsinki
1975
Frauen Kunst – Neue Tendenzen, Galerie Krinzinger, Innsbruck
1974
Fotomedia, Museum am Ostwall, Dortmund
Andata e ritorno, Galleria Schema, Florenz
1973
Italy Two Around, Philadelphia Art Museum, Philadelphia
Arte contemporanea, Centro 6, Bari
1972
Il libro come spazio di ricerca, 34th La Biennale di Venezia, Venedig
Photography Into Art, Camden Art Centre, London
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