Martin Dammann
Blind Spot
Als „blind spot“ oder „blinder Fleck“ bezeichnet man in der Psychologie jene Bereiche der Erinnerung, die ausgeblendet und daher nicht mehr abrufbar sind. Durch diesen Mechanismus werden Handlungen und Erlebtes aus verschiedensten Gründen aus dem Bewusstsein eliminiert. Um Vergangenes und unsere Erinnerung daran geht es auch in der Ausstellung von Martin Dammann. Kennen wir bereits aus früheren Präsentationen Aquarelle, die nach Archivbildern von Kriegssituationen gemalt sind, sehen wir diese Arbeiten nun Bildern gegenübergestellt, die er nach persönlichen Fotografien aus seinem privaten Umfeld gemalt hat. In einem Parcours der Erinnerung inszeniert Martin Dammann in Blind Spot eine Dramaturgie aus alten und gegenwärtigen Fotografien, seiner malerischen Umsetzung dieser Fotografien in Aquarellbilder und einer Videoarbeit. Diese Kombination ermöglicht uns einen direkten Vergleich des Damaligen mit dem Heutigen durch Analogien des Dargestellten und der Komposition.
Martin Dammanns Faszination für die Vergangenheit äußert sich in derUntersuchung, wie sich die unwiderruflichen Geschehnisse der beiden Weltkriege immer noch und immer wieder auf das gegenwärtige Wertesystem unserer Gesellschaft auswirken. Durch die Übersetzung dieser alten Fotografien in seine Malerei schafft er eine Verbindung zwischen der Vergangenheit und dem Heute. Durch die zusätzliche Verwendung von privatem, aktuellem Fotomaterial setzt der Künstler unsere Bilder vom Vergangenen denen gegenüber, die wir von uns selbst entwickeln. Dies wirkt stringent, wenn man bedenkt, dass einer Untersuchung der Auswirkungen der Weltkriege auf die heutige Gesellschaft eine Untersuchung der Einflüsse des familiären Gefüges auf das Individuum nach sich zieht.
Bei der Transformation seiner Motive in großformatige Malerei konzentriert sich Martin Dammann auf emotionale Regungen, die er in der Fotografie ausmachen kann, und arbeitet diese durch eine intensive Farbwahl in seine Aquarelle ein. Überhaupt werden die Bildgegenstände durch die Wahl der Aquarelltechnik verfremdet und nur bestimmte Bildkomponenten werden zu erkennbaren Motiven. Der verschwommene Charakter des Aquarells lässt zum Teil wenig Eindeutigkeit zu weder im Malprozess noch in der Deutung. Manchmal lässt er Gesichter oder auch ganze Körper aus, die entweder weiß bleiben oder sich in einfarbige Flecken verwandeln. Es scheint fast, als wären seine Malereien Sinnbilder für die menschliche, bruchstückhafte Art des Erinnerns. Teile des Erlebten gelangen gar nicht in unser Gedächtnis, andere sind verschwommen abrufbar, manches ist sehr präzise und klar vor Augen. Das Ganze ist scheinbar so zufällig wie der Prozess, der beim Malen durch Wasser und Farbe auf dem Papier passiert.
Häufige Motive in Dammanns Arbeit sind und waren Gruppengefüge der unterschiedlichsten Konstellationen. In den Fokus der aktuellen Ausstellung bei Georg Kargl Fine Arts ist ein sehr intimes Gefüge gerückt: die Familie. Durch die Videoarbeit im letzten Raum der Ausstellung, die einen sehr privaten Charakter hat, beginnt sich die Aufarbeitung einer globalen, kollektiven Vergangenheit mit der Auseinandersetzung der persönlichen Geschichte zu mischen. Man sieht den Vater des Künstlers, der auf eine Frage, die Vergangenheit der Familie betreffend, nur lacht; aber scheinbar nichts mehr abrufen kann. Ein blinder Fleck in der Erinnerung!
Text: Marie Duhnkrack
Biografie
geboren 1965 in Friedrichshafen/Bodensee, lebt und arbeitet in Berlin
Ausgewählte Einzelausstellungen
2018
"Abstieg", InSitu - Fabienne Leclerc, Paris
2017
Kein schöner Land, Galerie Barbara Thumm, Berlin
2016
Schuld, Galerie InSitu – Fabienne Leclerc, Paris
2015
Zum Resultat beruhigter Tumult, Kunsthalle, Nürnberg
weiter weg, Galerie Barbara Thumm, Berlin
2014
Martin Dammann. Mit dem Rücken zur Wand, Märkisches Museum Witten (im Rahmen von 25 Jahre / 25 Künstler / 25 Bilder, Kunstsiftung NRW)
Zeichnungen, In Situ – Fabienne Leclerc, Paris
Dieses Feuer, Atelier Rouart, Paris
aus dem über heraus, Kunstsaele Berlin
2013
Galerie InSitu – Fabienne Leclerc, Paris
Goodbye Paradise – Landschaftsbilder gestern und heute, Kunsthalle Osnabrück
Nur hier, Sammlung zeitgenössischer Kunst der Bundesrepublik Deutschland, Ankäufe, von 2007 bis 2011, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn
2012
Blind Spot, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2011
gegen über, Galerie Barbara Thumm, Berlin
Frauen, In Situ / Fabienne Leclerc, Paris
2009
Malerei-Zeichnung, Kunstverein Konstanz, Konstanz
Soldier Studies und Neue Malerei, Galerie Barbara Thumm, Berlin
Fremde Freunde, Kunsthalle Recklinghausen, Recklinghausen
2008
Zweite Totale, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2007
Repromancer, Kunstverein Arnsberg e.V., Arnsberg
2006
Collecting militaria gives you something to talk about, Galerie Barbara Thumm, Berlin
2005
Vanishing Point, Georg Kargl Fine Arts, Wien
Überdeutschland, Galerie Barbara Thumm, Berlin
Vanishing Point 2, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2003
New Works, Galerie Barbara Thumm, Berlin
2002
Konrad-Adenauer-Stiftung, Berlin
1998
Transmission, Espace des Arts, Chalon-sur-Saône
Blitz Licht, Kunstruimte, Berlin
1996
Galerie Herold, Bremen
1995
Galerie 21, St. Petersburg
Ausgewählte Gruppenausstellungen
2018
CONCENTRATION - a tribute, Gesellschaft für projektive Ästhetik Georg Kargl, Wien
2017
ZWANZIG 20 years Galerie Barbara Thumm, Galerie Barbara Thumm, Berlin
"En marge", InSitu- Fabienne Leclerc, Paris
Group-Picture, Galerie Barbara Thumm, Berlin
2015
Fire and Forget. On Violence, Kunstwerke Berlin
The Beast and the Sovereign, MACBA – Museu d’Art Contemporani de Barcelona
BER-DTM-HNL – Fasten your seatbelts, HMKV, Dortmund
2014
DER KUBIST MARCEL DUCHAMP MAG NICHT MALEN, Thomas Schulte, Berlin
Summerstage, Galerie Barbara Thumm, Berlin
Emotionsräume, Kunstverein Talstraße, Halle/Saale
Kunst Oberschwaben 20. Jahrhundert – 1970 bis heute, Schloss Achberg, Achberg, Deutschland
2013
Donation Florence et Daniel Guerlain, Centre Pompidou, Paris
Goodbye Paradise – Landschaftsbilder gestern und heute, Kunsthalle Osnabrueck
Spur der Steine, Alte Feuerwache, Kulturhaus Friedrichshain, Berlin
Nur hier, Sammlung zeitgenössischer Kunst der BRD Ankäufe von 2007-2011, Kunst- und Ausstellungshalle der BRD, Bonn
Bremer Schule, ESSEN UND TRINKEN MUSUEM, Berlin
2012
Mohrenshow, Wurlitzer Art, Berlin
Choses vues á Droite et á Gauche (sans lunettes), Ballhaus Ost Berlin, Berlin
2011
10 Years Autocenter, Autocenter, Berlin
Rollenbilder.Rollenspiele, Museum der Moderne Salzburg, Salzburg
Erika Mustermann Collection, Der Strich, Berlin
EHF 2010, Konrad-Adenauer-Stiftung, Berlin
State of the Union, Freies Museum, Berlin
2010
Fine Line, Georg Kargl Fine Arts, Wien
Einen Ort herstellen, Neuer Sächsicher Kunstverein, Dresden
Family Jewels, Galerien der Stadt Esslingen, Esslingen
A Generation, Petach Tikva Museum of Art Israel, Israel
La Revanche de l´Archive Photographique, Centre de la Photographie, Genf
2009
Schickeria – High Society, BDA-Ausstellungsraum, Braunschweig
Biennale Venezia, 53rd International Art Exhibition, Venedig
Family Jewels, Galerien der Stadt Esslingen, Esslingen
The Fear Society – Pabellon De La Urgencia, Arsenale Novissimo, Venedig
2008
Vertrautes Terrain – Aktuelle Kunst in und über Deutschland, ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe
Nothing to declare, 4. Triennale zeitgenössischer Kunst Oberschwaben, Friedrichshafen
Wild Signals, Württembergischer Kunstverein, Stuttgart
Quo Vadis, Autocenter, Berlin
2007
Männerfantasien, Chung King Project, Los Angeles (curated by Ellen Blumenstein)
Between the Two Deaths, ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe
Malkunst, 2. Aktuelle Malerei in Berlin, Mudima - Fondazione per l’Arte Contemporanea, Mailand
2006
VAC – Colección Valencia Arte Contemporáneo, IVAM, Valencia
Don´t talk about it, Berlin
I walk the lines, Galerie Barbara Thumm, Berlin
Berlin Tendenzen, La Capella – Institut de Cultura de Barcelona, Barcelona
SPEED, Galerie Barbara Thumm, Berlin
2005
Trial of Power, Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, Berlin (curated by Maik Schlüter)
Richtig Wichtig, PACT, Amsterdam
Good Timing, Georg Kargl Fine Arts, Wien
Waters and Watercolours, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2004
Foreign Affairs Berlin, Tent Centrum Beeldende Kunst, Rotterdam
From Above, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2003
Video Programme, Galerie Barbara Thumm, Berlin
2001
Einsiedler, Vorübergehend, Museum Folkwang, Essen
Pandaemonium, The Lux Centre, London
2000
Experimental Projects, PS1 - Contemporary Art Center, New York
No Vacancies, Galerie Barbara Thumm/Angelika Richter, Berlin
1999
View, Galerie Eigen & Art, Berlin
Kunstwerke e.V., Berlin
Kunstbank, Berlin
art club berlin, Berlin and AUbase art space, New York
1998
Between, Jacksonville Museum of Contemporary Art, Florida
Sub Fiction, 3. Werkleitz Biennale, Werkleitz
Blockbuster, Kunst + Technik, Berlin
1997
Medienpaket, ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe
Hybrid Work Space, Documenta X, Kassel
Kunst + Technik, Berlin
11 Videos, Dogenhaus Projekte, Berlin
L´immagine leggera, Videofestival, Palermo
1996
Auswahl 7. Marler Videopreis, Skulpturenmuseum Glaskasten, Marl
Cluster Images, Werkleitz Biennale, Werkleitz
Die 50 besten, Video Award of ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe
Digitale ´96, Photokina/Kunsthochschule für Medien, Köln
1995
Dirty Windows Gallery, Berlin
Pearls Vol. II, Stiftung Starke, Berlin
1994
Werkstattgalerie Hohentorsheerstraße, Bremen
Ars Grafinova, Ostrobothnian Museum, Vaasa
Anfrage
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