Martin Dammann
Vanishing Point
Der Künstler Martin Dammann beschäftigt sich mit dem ebenso stark besetzten wie aktuellen Thema des Wechselspiels von Krieg, dessen medialer Berichterstattung und deren Einfluss auf unsere Wahrnehmung. Originalfotos, Filmausschnitte ab der Zeit um den Ersten Weltkrieg bis hin zum Kosovokonflikt sowie die allgemeinen Methoden moderner Kriegsführung bilden den Ausgangspunkt für seine hier gezeigten großformatigen Aquarelle, Videoarbeiten, und Fotoserien. Inspiration und Material erhält der Künstler durch seine Arbeit für die Sammlung des Londoner Archive of Modern Conflict, das sich auf private Kriegsfotografie spezialisiert hat und für das er seit Jahren Fotos ankauft.
Im ersten Teil der Ausstellung werden die neuen Werke des Malers Martin Dammann präsentiert. Fotos von Szenen aus Militär und Krieg und teils private, auf den ersten Blick idyllisch wirkende Aufnahmen – die bei näherer Betrachtung Assoziationen mit Krieg evozieren – sind Vorlagen für seine über 2 Meter großen Aquarelle. „Nicht das Foto an sich interessiert mich, sondern der Anlass, aus dem heraus es gemacht wurde“ (Zitat Martin Dammann). Der Künstler schafft eine vorsichtige Annäherung an das Medium der Fotografie und nimmt dem kurzen Moment, in dem das Foto belichtet wurde, durch die Transformation in die „sanfte“ Technik des Aquarells, seinen direkten Wirklichkeitsanspruch. Das ermöglicht gleichzeitig dem Betrachter ein ganz neues subjektives Interpretationsspiel.
In dem 2003 entstandenen Video Abgang wird eine von oben gefilmte Modelllandschaft, auf die Autos, Häuser etc. lose gestellt waren, aus dem 4. Stock eines Wohnhauses fallen gelassen. Die Video-Kamera, die mitfällt aber von einem Bungee-Seil abgefangen wird, filmt die sukzessive Auflösung des Modells während des freien Falls und seine vollständige Zerstörung beim Aufprall. Im Moment der Auflösung scheint die Kamera kurzzeitig durchs Weltall zu fliegen, dabei Bilder von taumelnden Felsbrocken und Häusern zu übertragen, und durch die daraufhin erscheinende reale Szenerie des Hinterhofes die Sehnsucht nach der Auflösung der eigenen Welt und Vorstellungsbilder zu unterstreichen. Für das 1999 während seines Londonaufenthalts entstandene Video Wo filmte Dammann den Landeanflug von Passagierflugzeugen auf Heathrow. Dabei versuchte er genau den Punkt zu filmen, an dem in Wolken verschwundene Flugzeuge wieder auftauchen. Der Betrachter wird die meiste Zeit mit einem weißen Bildschirm voller Wolken konfrontiert, wodurch jene Aspekte offenbart werden, die das Nicht-sichtbare bewusst machen.
In der großformatigen Reproduktionsserie Überdeutschland benützt Martin Dammann Fotografien aus der Sammlung des Londoner Archive of Modern Conflict als Vorlagen. Die bereits im Zweiten Weltkrieg entstandenen Aufnahmen aus Flugzeugen und Heißluftballons zeigen nicht das Bild der Wirklichkeit des Krieges, sondern das Versagen der Fotografie, diese Wirklichkeit abzubilden. In den hochscharfen und großen Abbildungen der (kleinen) Original-Abzüge fallen vielfach die Wirklichkeit des Abgebildeten und die Materialität des Fotopapiers ineinander. In der Auswahl der Luftaufnahmen wird der auf Kontrolle ausgerichtete Blick von ‚Aufklärerfotos’ reflektiert, der besonders in der modernen Kriegsführung eine wichtige Rolle spielt. Die Ausmaße der Werke beeindrucken durch ihre physische Präsenz, zwingen zur Abstandnahme bei der Betrachtung wie sie gleichzeitig der motivischen Bedeutung und dem historischen Zeugnis des ausgewählten Materials eine Dimension des Schreckens verleihen und eine Verortung in der Gegenwart bewirken.
Dammanns begehbare Installation Mezquita besteht aus einem 3 x 3 x 3 m Kubus. Auf dessen rückprojizierende Folienwände sind von innen und außen drei Ansichten eines in die Säulenhalle der Mezquita in Cordoba/Spanien montierten Kriegsflugzeuges sichtbar. Im Kubus stehend wird das Flugzeug zeitgleich aus drei verschiedenen Perspektiven erfahrbar und scheint stets den Betrachterstandpunkt zu definieren. Durch die polyfokale Ansicht fühlt sich der Betrachter dem paradoxen Gefühl ausgeliefert, sich zwar inmitten eines Panoramas zu befinden, selbst allerdings im physisch realen Raum keinen eindeutigen Standpunkt beziehen zu können. In dieser Arbeit von 1996, die gerade durch den Konflikt zwischen dem Islam und der Westlichen Welt neue Brisanz gewinnt, geht es Martin Dammann um die Wiederholung des Zusammenpralls zweier Formprinzipien. Die ursprünglich maurischen Moschee aus dem 8. Jahrhundert, die im 16. Jahrhundert von Karl V. christianisiert und teilweise in eine christliche Kirche transformiert wurde, erfährt mit der Durchdringung der Statik ihrer Architektur durch den Dynamik implizierenden Körper eines Kriegsflugzeuges eine weitere Konfrontation.
Es sind die „starken“ Bilder aus den Zeiten des Krieges, die beim Künstler eine Berührung im Inneren auslösen. Für den Betrachter ergeben sich durch Dammanns Transformation in die verschiedenen Medien zweierlei Bedeutungsfelder: das individuelle, persönliche und das der allgemeinen Wirkungsmacht von Bildern und Geschichtsschreibung. Thematisiert wird auch die Veränderung der Wahrnehmung der Wirklichkeit durch den zunehmenden Einfluss der Mediatisierung auf unsere persönlichen Einstellungen und Werte. Alle Arbeiten dieser Ausstellung haben mit Auflösung, Durchdringung und Verschwinden zu tun und sind verbunden durch die Sehnsucht, in Bildern einen Punkt der Wirklichkeit außerhalb ihrer selbst zu erreichen, einen Punkt der sich immer weiter zu entfernen scheint. Vanishing Point.
Biografie
geboren 1965 in Friedrichshafen/Bodensee, lebt und arbeitet in Berlin
Ausgewählte Einzelausstellungen
2018
"Abstieg", InSitu - Fabienne Leclerc, Paris
2017
Kein schöner Land, Galerie Barbara Thumm, Berlin
2016
Schuld, Galerie InSitu – Fabienne Leclerc, Paris
2015
Zum Resultat beruhigter Tumult, Kunsthalle, Nürnberg
weiter weg, Galerie Barbara Thumm, Berlin
2014
Martin Dammann. Mit dem Rücken zur Wand, Märkisches Museum Witten (im Rahmen von 25 Jahre / 25 Künstler / 25 Bilder, Kunstsiftung NRW)
Zeichnungen, In Situ – Fabienne Leclerc, Paris
Dieses Feuer, Atelier Rouart, Paris
aus dem über heraus, Kunstsaele Berlin
2013
Galerie InSitu – Fabienne Leclerc, Paris
Goodbye Paradise – Landschaftsbilder gestern und heute, Kunsthalle Osnabrück
Nur hier, Sammlung zeitgenössischer Kunst der Bundesrepublik Deutschland, Ankäufe, von 2007 bis 2011, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn
2012
Blind Spot, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2011
gegen über, Galerie Barbara Thumm, Berlin
Frauen, In Situ / Fabienne Leclerc, Paris
2009
Malerei-Zeichnung, Kunstverein Konstanz, Konstanz
Soldier Studies und Neue Malerei, Galerie Barbara Thumm, Berlin
Fremde Freunde, Kunsthalle Recklinghausen, Recklinghausen
2008
Zweite Totale, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2007
Repromancer, Kunstverein Arnsberg e.V., Arnsberg
2006
Collecting militaria gives you something to talk about, Galerie Barbara Thumm, Berlin
2005
Vanishing Point, Georg Kargl Fine Arts, Wien
Überdeutschland, Galerie Barbara Thumm, Berlin
Vanishing Point 2, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2003
New Works, Galerie Barbara Thumm, Berlin
2002
Konrad-Adenauer-Stiftung, Berlin
1998
Transmission, Espace des Arts, Chalon-sur-Saône
Blitz Licht, Kunstruimte, Berlin
1996
Galerie Herold, Bremen
1995
Galerie 21, St. Petersburg
Ausgewählte Gruppenausstellungen
2018
CONCENTRATION - a tribute, Gesellschaft für projektive Ästhetik Georg Kargl, Wien
2017
ZWANZIG 20 years Galerie Barbara Thumm, Galerie Barbara Thumm, Berlin
"En marge", InSitu- Fabienne Leclerc, Paris
Group-Picture, Galerie Barbara Thumm, Berlin
2015
Fire and Forget. On Violence, Kunstwerke Berlin
The Beast and the Sovereign, MACBA – Museu d’Art Contemporani de Barcelona
BER-DTM-HNL – Fasten your seatbelts, HMKV, Dortmund
2014
DER KUBIST MARCEL DUCHAMP MAG NICHT MALEN, Thomas Schulte, Berlin
Summerstage, Galerie Barbara Thumm, Berlin
Emotionsräume, Kunstverein Talstraße, Halle/Saale
Kunst Oberschwaben 20. Jahrhundert – 1970 bis heute, Schloss Achberg, Achberg, Deutschland
2013
Donation Florence et Daniel Guerlain, Centre Pompidou, Paris
Goodbye Paradise – Landschaftsbilder gestern und heute, Kunsthalle Osnabrueck
Spur der Steine, Alte Feuerwache, Kulturhaus Friedrichshain, Berlin
Nur hier, Sammlung zeitgenössischer Kunst der BRD Ankäufe von 2007-2011, Kunst- und Ausstellungshalle der BRD, Bonn
Bremer Schule, ESSEN UND TRINKEN MUSUEM, Berlin
2012
Mohrenshow, Wurlitzer Art, Berlin
Choses vues á Droite et á Gauche (sans lunettes), Ballhaus Ost Berlin, Berlin
2011
10 Years Autocenter, Autocenter, Berlin
Rollenbilder.Rollenspiele, Museum der Moderne Salzburg, Salzburg
Erika Mustermann Collection, Der Strich, Berlin
EHF 2010, Konrad-Adenauer-Stiftung, Berlin
State of the Union, Freies Museum, Berlin
2010
Fine Line, Georg Kargl Fine Arts, Wien
Einen Ort herstellen, Neuer Sächsicher Kunstverein, Dresden
Family Jewels, Galerien der Stadt Esslingen, Esslingen
A Generation, Petach Tikva Museum of Art Israel, Israel
La Revanche de l´Archive Photographique, Centre de la Photographie, Genf
2009
Schickeria – High Society, BDA-Ausstellungsraum, Braunschweig
Biennale Venezia, 53rd International Art Exhibition, Venedig
Family Jewels, Galerien der Stadt Esslingen, Esslingen
The Fear Society – Pabellon De La Urgencia, Arsenale Novissimo, Venedig
2008
Vertrautes Terrain – Aktuelle Kunst in und über Deutschland, ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe
Nothing to declare, 4. Triennale zeitgenössischer Kunst Oberschwaben, Friedrichshafen
Wild Signals, Württembergischer Kunstverein, Stuttgart
Quo Vadis, Autocenter, Berlin
2007
Männerfantasien, Chung King Project, Los Angeles (curated by Ellen Blumenstein)
Between the Two Deaths, ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe
Malkunst, 2. Aktuelle Malerei in Berlin, Mudima - Fondazione per l’Arte Contemporanea, Mailand
2006
VAC – Colección Valencia Arte Contemporáneo, IVAM, Valencia
Don´t talk about it, Berlin
I walk the lines, Galerie Barbara Thumm, Berlin
Berlin Tendenzen, La Capella – Institut de Cultura de Barcelona, Barcelona
SPEED, Galerie Barbara Thumm, Berlin
2005
Trial of Power, Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, Berlin (curated by Maik Schlüter)
Richtig Wichtig, PACT, Amsterdam
Good Timing, Georg Kargl Fine Arts, Wien
Waters and Watercolours, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2004
Foreign Affairs Berlin, Tent Centrum Beeldende Kunst, Rotterdam
From Above, Georg Kargl Fine Arts, Wien
2003
Video Programme, Galerie Barbara Thumm, Berlin
2001
Einsiedler, Vorübergehend, Museum Folkwang, Essen
Pandaemonium, The Lux Centre, London
2000
Experimental Projects, PS1 - Contemporary Art Center, New York
No Vacancies, Galerie Barbara Thumm/Angelika Richter, Berlin
1999
View, Galerie Eigen & Art, Berlin
Kunstwerke e.V., Berlin
Kunstbank, Berlin
art club berlin, Berlin and AUbase art space, New York
1998
Between, Jacksonville Museum of Contemporary Art, Florida
Sub Fiction, 3. Werkleitz Biennale, Werkleitz
Blockbuster, Kunst + Technik, Berlin
1997
Medienpaket, ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe
Hybrid Work Space, Documenta X, Kassel
Kunst + Technik, Berlin
11 Videos, Dogenhaus Projekte, Berlin
L´immagine leggera, Videofestival, Palermo
1996
Auswahl 7. Marler Videopreis, Skulpturenmuseum Glaskasten, Marl
Cluster Images, Werkleitz Biennale, Werkleitz
Die 50 besten, Video Award of ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe
Digitale ´96, Photokina/Kunsthochschule für Medien, Köln
1995
Dirty Windows Gallery, Berlin
Pearls Vol. II, Stiftung Starke, Berlin
1994
Werkstattgalerie Hohentorsheerstraße, Bremen
Ars Grafinova, Ostrobothnian Museum, Vaasa
Anfrage
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