curated by Kate Sutton
You You
Gabriele Beveridge, Tenzing Dakpa, Katrina Daschner, David Fesl, Doris Guo, Vlatka Horvat, Ketty La Rocca, Mario Mu, Mercedes Mangrané, Rosa Rendl
“you you” tends to jam the visual and mental process
and to reduce language to simple “bits” of information
and make immediately clear the asymptote of alienation
“you” also means i, i have no alternatives, i save myself in my own hysteria, with the unrepeatable gesture of writing myself by hand
- “You You,” Ketty La Rocca, 1972
1972 formulierte die Künstlerin Ketty La Rocca in einer ihrer poesia visiva eine Art Leitbild für ihre künstlerische Arbeit, die sie in den kommenden Jahrzehnten entwickeln würde. Dabei übte sie eine einfache, aber effektive Gewalt auf die linguistischen Strukturen aus, die ihre Umgebung bestimmten. Im selben Jahr setzt die Künstlerin in einer Werkserie You You, Fotokopien von Händen und deren „Reduktionen“, abstrahierte Konturen, maschinell erzeugter Bilder, gegenüber. Diesen unvollkommenen Kartographien gab sie, in einem bewussten Akt sowohl der Entfremdung als auch der Einbeziehung, den Titel „You“.
Dieses Arbeiten dienen als Ausgangspunkt für die Gruppenausstellung, kuratiert von Kate Sutton, die Teil des diesjährigen Curated by Festivals ist. In ihrem Impulsessay für das Festival beschreibt Nuit Banai die Fragmentarität von Archiven als „sowohl eine Bedingung für Gewalt als auch ein Impuls für Hoffnung“. Das Thema "Untold Narratives" fordert dazu auf, die zunehmende Polarisierung unserer Zeit zu überdenken, indem man neuen Perspektiven Raum gibt. Um dieser Voreingenommenheit jedoch wirklich entgegenzuwirken, müssen wir erkennen, dass sie bestimmt, was im Archiv als lesbar gilt. Mit anderen Worten, manche Narrative bleiben „untold“. Nicht nur weil es darauf ankommt, wer sie erzählt oder unter welchen Umständen sie erzählt werden, sondern auch, weil wir nicht darauf konditioniert sind, die Narrative zu erkennen.
Die Künstler, die in der Ausstellung You You versammelt sind, folgen La Roccas Beispiel, indem sie eigene Mittel zur Zusammenstellung oder zur Interpretation von Archiven ihrer alltäglichen Erfahrungen entwickeln. Dabei nutzen sie Form und Technik, um neue Wege der Informationsvermittlung zu erschließen. Für Künstler wie Tenzing Dakpa, dessen Fotografien das Leben im Hotel seiner Familie dokumentieren, geht es darum, gegen visuelle Erwartungen zu spielen. Für andere wie Gabriele Beveridge, Rosa Rendl oder David Fesl steht hingegen das Suggerieren alternativer Interpretationen von alltäglichen Objekten im Vordergrund. Mario Mu und Doris Guo experimentieren mit den Technologien der Bildherstellung, von Drohnen bis hin zu selbstgemachten Projektoren. Mercedes Magrané erfasst intime und scheinbar beiläufige Momente durch Aquarelle und Malerei, während Vlatka Horvat und Katrina Daschner durch Collagen und Assemblagen eine scharfsinnige Neuschreibung der sie umgebenden Welt bieten. Gemeinsam bringen diese Werke kleine Friktionen in die Galerieräume und erzeugen eine „Asymptote der Entfremdung“ – eine Entfremdung, die gleichzeitig eine Bestätigung ist - wie es La Rocca in ihrem Gedicht formulierte.